Bei uns in London:Zoll um Zoll

Lesezeit: 1 min

Ein Schinken-Sandwich: Solche Dinge machen jetzt Ärger an der Grenze zwischen der EU und Großbritannien. (Foto: Florian Peljak)

Seit dem Brexit ist es verboten, tierische Lebensmittel aus Großbritannien in die EU mitzunehmen. Das Schinken-Sandwich sollte man also besser vor der Grenze aufgegessen haben.

Von Alexander Mühlauer

Neulich fuhr ein Lkw-Fahrer mit der Autofähre von England nach Holland. Der Zollbeamte an der niederländischen Grenze wollte nicht nur den Reisepass und Frachtpapiere sehen, sondern noch etwas ganz anderes wissen. Und zwar: Was er denn an Proviant dabei habe? Der Fahrer zeigte also sein Schinken-Sandwich. Das dürfe er leider nicht in die EU einführen, erklärte ihm der Beamte. Denn seit dem Brexit sei es nicht mehr erlaubt, tierische Lebensmittel aus Großbritannien auszuführen.

So war das kürzlich in einem Beitrag des niederländischen Fernsehsenders NPO1 zu sehen. Der Fahrer fragte zwar noch, ob er den Schinken vielleicht herunternehmen und wenigstens das Brot behalten dürfe. Aber keine Chance. "Alles wird beschlagnahmt", sagte der Beamte im Hafen von Hoek van Holland bei Rotterdam. Und dann sagte er noch: "Willkommen beim Brexit, tut mir leid."

Willkommen beim Brexit? Nun, seit zum Jahreswechsel die sogenannte Übergangsphase ausgelaufen ist, müssen sich nicht nur die Lkw-Fahrer mit allerlei Papierkram herumschlagen. Das war zwar absehbar, aber nun, da der Brexit Realität ist, treibt es so manche Unternehmen doch in die Verzweiflung. Da sind Zollerklärungen, die es auszufüllen gilt. Mit am aufwendigsten ist es bei Lebensmitteln. So kam es vor, dass an der Grenze zu Frankreich Lastwagen mit frischem Fisch standen, der dann leider schlecht wurde.

Nun, das alles kann eigentlich nur all jene überraschen, die Boris Johnson an Heiligabend glaubten, was er sagte. Damals erklärte der britische Premierminister voller Stolz, dass es ihm gelungen sei, einen Handelsvertrag mit der EU zu schließen, der zwei Dinge mit sich bringe: keine Zölle und keine Quoten. Dass "keine Zölle" aber nicht bedeutet, dass es künftig einen reibungslosen Handel gibt, der quasi so weiter läuft wie bisher, wollte Johnson so nicht sagen. Er bestand darauf: keine Zölle, sprich: alles gut.

Es lag dann wie so oft an Johnsons Kabinettsbürominister, die Suppe, die ihm der Premier eingebrockt hat, wieder auszulöffeln. Der Mann heißt Michael Gove, trägt den Titel Chancellor of the Duchy of Lancaster. Er gab also zu, was Johnson nicht zugeben wollte: Ja, es werde in den kommenden Wochen zu Beeinträchtigungen an der Grenze kommen. Brexit heißt eben Brexit.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: