Bayer:Verwirrung im Glyphosat-Streit

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Der Konzern könnte Tausende Klagen außergerichtlich regeln, heißt es am Freitag zeitweise. Doch der Mediator dementiert.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Bayer-Aktionäre hatten in jüngster Zeit allen Grund, sauer zu sein. Der Konzern hat an der Börse ein Drittel an Wert verloren, seitdem er voriges Jahr den US-Saatguthersteller Monsanto übernahm. Ganz zu schweigen vom schlechten Ruf des Gentechnik- und Glyphosatkonzerns, den Bayer mit eingekauft hat. Diese größte Übernahme, die eine Firma aus Deutschland je im Ausland gewagt hat, droht zu einer noch größeren Enttäuschung zu werden.

Am Freitag schien es für eine Weile, als könnte sich zumindest die Aktie von ihren Tiefstständen absetzen. Bayer gewann an der Börse zeitweise elf Prozent an Wert. Denn Bloomberg meldete, dass der Konzern gut sieben Milliarden Euro als Vergleich zahlen könnte, um Tausende Klagen gegen Monsanto beizulegen. Allerdings berief sich der Finanzdienst zunächst nur auf eine "mit den Verhandlungen vertraute Person". Und kaum hatte der Freitag auch in Amerika begonnen, dementierte der Vermittler Ken Feinberg per Mail: "Eine solche Erklärung ist reine Fiktion." Eine mögliche Vergleichszahlung sei in der bisherigen Mediation "noch nicht einmal angesprochen worden". Feinberg versucht, in einem gigantischen Rechtsstreit zu vermitteln: Mehr als 18 000 Menschen haben Monsanto in den USA verklagt. Sie machen das Pflanzenschutzmittel Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat für Krebserkrankungen verantwortlich. Mit Roundup bekämpfen sowohl Landwirte als auch Hobbygärtner seit Jahrzehnten Unkraut. Doch hat die Internationale Krebsforschungsagentur Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Seitdem werben Anwälte in den USA sogar im Fernsehen dafür, dass Betroffene Monsanto verklagen sollten.

Der Pflanzenvernichter Roundup enthält Glyphosat. Der Wirkstoff steht im Verdacht, krebserregend zu sein. (Foto: Josh Edelson/AFP)

Bayer weist den Zusammenhang zurück. Roundup sei "bei sachgerechter Anwendung sicher", betont der Konzern, Glyphosat "nicht krebserregend". Bayer verweist auf jahrzehntelange Forschung sowie auf das Votum mehrerer Genehmigungsbehörden weltweit.

Dennoch hat der Konzern bislang alle drei Verfahren in der ersten Instanz verloren. Sei es der krebskranke Edwin Hardeman, der Hausmeister Dewayne Johnson oder das Ehepaar Alva und Alberta Pilliod: Am Ende standen jeweils Schadenersatzzahlungen von 70 bis 80 Millionen Euro. Und Bayer kündigte Rechtsmittel an.

Allerdings hat der kalifornische Richter Vince Chhabria, bei dem allein Hunderte Klagen gebündelt sind, im Frühjahr angeordnet, dass die Kläger und der Konzern in einer Mediation unter der Leitung Feinbergs versuchen sollen, sich gütlich zu einigen. Bayer werde sich "konstruktiv" einbringen, teilte der Konzern mit. Immerhin spart ein Vergleich auch Millionen an Anwaltskosten ein.

Vorstandschef Werner Baumann nannte zuletzt zwei Bedingungen, unter denen Bayer einen Vergleich akzeptieren könnte: Dieser müsste alle bisherigen und mögliche künftige Klagen beilegen - ein für alle Mal Ruhe sozusagen. Und ein Vergleich müsste sich "in einem vernünftigen finanziellen Rahmen" bewegen. Also führen die Anwälte des Konzerns und der Kläger nun Gespräche, die streng vertraulich seien, heißt es in Leverkusen, daran halte sich Bayer auch.

(Foto: boerse)

"Wir geben zu Gerüchten grundsätzlich keine Stellungnahme ab", sagte ein Bayer-Sprecher. Analysten gingen zuletzt davon aus, dass ein Vergleich den Konzern bis zu 20 Milliarden Euro kosten könnte.

Erst in dieser Woche hatte ein Gericht in der Monsanto-Heimatstadt St. Louis angekündigt, dass ein weiterer Glyphosatprozess erst im Januar beginnen soll. Er war ursprünglich für diesen August vorgesehen. Findige Analysten deuteten diese Vertagung bereits als Hinweis, dass es mit der Mediation vorangehe.

Bayer hatte Monsanto für mehr als 55 Milliarden Euro übernommen. Nachdem der Konzern seine Kautschuk- und seine Kunststoffsparte verkauft hatte, will er sich ganz auf Medikamente und Agrarchemie konzentrieren. Von beiden Geschäften erhofft sich Baumann stetes Wachstum, da Landwirte eine wachsende Weltbevölkerung ernähren müssen, die Menschen im Schnitt aber auch länger leben und gesund bleiben wollen.

Dennoch verweigerten die Aktionäre dem Vorstand in der jüngsten Hauptversammlung die symbolische Entlastung, da die Männer um Baumann die Risiken der Übernahme von Monsanto unterschätzt hätten. Ein solches Misstrauensvotum hatte es bei einem Dax-Konzern noch nie gegeben.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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