Bauernproteste:Wider Bürokratie und Gängelung

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Bauernprotest am Brandenburger Tor: Mehrere Tausend Bauern haben sich in Berlin versammelt, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Tausende Bauern protestieren in Berlin gegen die Agrarpolitik der Regierung.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Klaus Merkel ist ein freundlicher, aber ernster Mann. Nur, als er schließlich seinen Nachnamen nennt - Merkel - da muss er dann doch lachen. Schließlich ist er wie all die anderen Landwirte am Dienstag nach Berlin gekommen, um gegen die Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung zu protestieren. Mehrere Tausend Bauern haben sich vor dem Brandenburger Tor versammelt, sie sind mit Bussen, der Bahn aber auch dem eigenen Traktor hierhergefahren - teils über Tage bis aus Bayern, zeitweise bildeten sich bis zu 20 Kilometer lange Konvois. "Wir hatten seit Jahrzehnten keine so große Bauerndemo mehr", jubelt eine der Organisatorinnen.

Klaus Merkel wäre auch gerne mit dem eigenen Traktor gekommen, aber sein Hof liegt im sächsischen Ort Schönnewitz, zwei, drei Tage Fahrt Minimum, "ich bin einfach zu alt dafür". Merkel ist 75, sein Vater war schon Landwirt, "den haben die Kommunisten 1952 vom Hof gejagt". Sohn Merkel hat trotzdem Landwirtschaft studiert und in einem agrarwissenschaftlichen Institut gearbeitet. "Als dann die Wende kam, da war ich glücklich, ich hab ja den Hof geerbt." Die ersten Jahre hätten ihm richtig Spaß gemacht, "aber jetzt, diese Bevormundung, die ist nicht mehr auszuhalten", sagt Merkel. Das erinnere ihn an die Zeit des SED-Regimes.

Zu viel Bürokratie, die Gängelung durch Umweltvorschriften, das nährt die Wut der meisten Bauern vor dem Brandenburger Tor. Konkret geht es um die schärferen Vorschriften zum Schutz der Insekten und des Grundwassers. Der umfassende Einsatz von Pestiziden und die Unmengen an Gülle, die durch die Landwirte auf den Feldern verteilt werden, sind eine massive Bedrohung. "Wir brauchen da klare Regeln", sagte deshalb auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die sich den protestierenden Bauern stellte. "Ich möchte, dass die Landwirte und Landwirtinnen Teil der Lösung sind." Applaus gab es dafür keinen von den Bauern. "Was wir hier erlebt haben, ist Politikverweigerung", erwidert einer der Landwirte in seiner Gegenrede, "blöde Kuh", sagte ein anderer im Publikum.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) war da diplomatischer und mahnte mehr Verständnis für die Lage der Landwirte an. "Sie haben es satt, aus städtischer Perspektive belehrt zu werden, wie Landwirtschaft auszusehen hat", sagte sie in der Etatdebatte im Bundestag, die parallel zum Aufmarsch der Bauern im nahen Reichstagsgebäude stattfand. Klöckner betonte zugleich, strengere Düngeregeln müssten umgesetzt werden, um EU-Strafzahlungen wegen eines Übermaßes an Nitrat im Grundwasser zu verhindern. Neue Methoden im Umgang mit Gülle würden auch gefördert: "Wir setzen auf das Miteinander statt auf das Gegeneinander."

Die Kundgebung in Berlin ist nur eine weitere Demonstration in einer ganzen Reihe von Protestaktionen. Nach einer bundesweiten Sternfahrt im Oktober demonstrierten Mitte November rund 5000 Landwirte in Hamburg, wo auf der zentralen Kundgebung am Gänsemarkt "Spiel mir das Lied vom Tod" lief. Als Zeichen des Widerstands gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung stellten Tausende Bauern zudem grün angestrichene Holzkreuze auf ihre Felder.

Organisiert wird der Protest von einer Aktion mit dem Namen "Land schafft Verbindung", nach eigenen Angaben getragen von 30 000 Sympathisanten. Ihre Vertreter bezeichnen sich selbst als unabhängig und unparteiisch, eine Graswurzelbewegung, die aus dem Internet entstanden sei. Tatsächlich wird sie aber seit Anbeginn von Unterorganisationen des Deutschen Bauernverbands unterstützt, einem Lobbyverband vor allem für die konventionelle Landwirtschaft. "Wir stehen im Austausch mit den Organisatoren und unterstützen auf vielen Ebenen", erklärt der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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