Bankfiliale:Boutique statt Warenhaus

Das Geldinstitut will das Filialnetz vorerst erhalten, teilt es aber auf - in ein Zwei-Klassen-System.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Fast fünf Monate lang hat Martin Zielke ein Geheimnis daraus gemacht, was er genau mit der Commerzbank vorhat. Nur eines hat der seit Mai amtierende Chef von Deutschlands zweitgrößter Bank bereits angedeutet: An dem umfangreichen Filialnetz des Instituts wird er wohl vorerst festhalten. Zwar hat auch die Commerzbank in den vergangenen Jahren zahlreiche Niederlassungen geschlossen, nun aber scheint es zumindest zu keiner weiteren Schließungswelle mehr kommen. "Warum eröffnen so viele reine Online-Shops immer häufiger eigene Flagship-Stores?", fragte er jüngst auf einer Konferenz, nur um die Antwort - im besten Marketingdeutsch - gleich selbst mitzuliefern: Sie wollten "eine Erlebniswelt für ihre Kunden" schaffen. Filialen, so Zielke würden "gebraucht und gewünscht", seien für die Bank wichtig, um zu wachsen.

Das sehen derzeit nicht alle Banken und Sparkassen so. Viele haben ihr Filialnetz zuletzt beträchtlich ausgedünnt oder sind gerade dabei, wie zum Beispiel die Deutsche Bank, die 188 von 700 Filialen schließt. Der Trend geht zum Online-Banking und zum Bezahlen per Smartphone - teure Niederlassungen lohnen sich da immer weniger. Mit ihrer Abhängigkeit vom klassischen Zinsgeschäft leiden vor allem die Privatkundenbanken unter den hohen Kosten der Regulierung sowie der NiedrigzinsPolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 1300 Bankfilialen geschlossen, 34 000 sind noch übrig.

Aber auch die Commerzbank muss sich Gedanken machen, wie sie weiterhin Kunden in ihre bundesweit rund 1050 Filialen lockt. Privatkundenvorstand Michael Mandel stellt sich die Niederlassungen daher nicht länger als "Voll-Sortiment-Warenhäuser" vor, sondern eher als "schlanke Service- und Beratungs-Boutiquen".

In sogenannten City-Filialen 2.0 sollen Kunden künftig nur noch Konten eröffnen und andere Standardprodukte kaufen, beispielsweise einen Ratenkreditvertrag abschließen. Die Mitarbeiter dort sollen außerdem bei Problemen mit dem Online-Banking helfen können. Wer aber eine Baufinanzierung oder eine Anlageberatung braucht, muss künftig größere Zweigstellen aufsuchen.

Auch diese will die Commerzbank künftig aufrüsten, zumindest einen Teil davon: Als Aushängeschilder will sie mittelfristig 65 bis 100 Niederlassungen zu "Flagship-Filialen" umbauen, wie sie in Berlin und Stuttgart getestet wurden. In den größten deutschen Städten wird es jeweils eine solche Vorzeigefiliale mit Beratungsinseln, Lounges und längeren Öffnungszeiten geben. Die nächsten sollen in Bochum, Bremen und Hannover eröffnet werden. Pro Laden will die Bank eine Million Euro investieren.

Natürlich will Privatkundenvorstand Mandel zudem kräftig in die Digitalisierung investieren: So soll zum Beispiel eine neu gegründete konzerneigene Designagentur namens "Neugelb" helfen, Techniktrends zu entdecken und für die Bank nutzbar zu machen. Bis 2019 will die Commerzbank alle kundennahen IT-Plattformen zusammenführen, was etwa 200 Millionen Euro an Investitionen bedeutet. Bislang müssen Kunden, die sich im Internet über eine Baufinanzierung informieren, ihre Daten erneut eingeben, wenn sie die Beratung in der Filiale fortsetzen. Das wäre dann nicht mehr nötig.

Ob sich die Investitionen auszahlen, die Commerzbank also ihre Erträge steigert und zugleich die Kosten senken kann, ist freilich höchst ungewiss. Aller Voraussicht wird der Umbau daher auch für die 12 000 Mitarbeiter der Privatkundensparte Folgen haben.

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