Bankenfusion:Appetit auf Größe

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Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier im Hypo-Hochhaus in München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Italiens Großbank Unicredit soll erneut eine Fusion mit dem französischen Rivalen Société Générale prüfen. Es ist kein Zufall, dass die Pläne für eine europäische Großbank gerade jetzt herauskommen.

Von Leo Klimm und Meike Schreiber, Frankfurt/Paris

Es ist ein Zusammenschluss, über den bereits etliche Male spekuliert wurde. Schließlich geht es um zwei der größten europäischen Banken, Société Générale (SocGen) in Frankreich und Unicredit in Italien. Jean-Pierre Mustier, der Chef von Unicredit, ist nicht nur selbst Franzose, sondern war erst vor wenigen Jahren über Umwege von SocGen zur Unicredit gewechselt. Er kennt den größeren Konkurrenten sehr gut; zudem ergänzen sich die Geschäfte hinreichend. Passen würde es also. Über das frühe Stadium kamen die Fusionspläne indes nie hinaus.

Man könnte es daher als Testballon abtun, worüber die Financial Times am Montag berichtet hat. Demnach beschäftigt sich Mustier bereits seit mehreren Monaten mit der Idee, die beiden Großbanken zu fusionieren; auch einige Manager von SoGen seien damit befasst. Es entstünde eine der größten Banken Europas mit einer Bilanzsumme von mehr als zwei Billionen Euro (sie wäre doppelt so groß wie die Deutsche Bank) und gut 275 000 Mitarbeitern.

Die Planspiele dürften die Debatte über Fusionen unter Europas Banken neu anheizen

Auch dieses Mal befinden sich die Pläne zwar in einer frühen Phase, wie es hieß. Bemerkenswert aber ist der Zeitpunkt, zu dem das Vorhaben nun bekannt wurde. Dass Italiens größte Bank ausgerechnet in einer Phase höchster politischer Unsicherheit in ihrem Heimatmarkt versucht, sich stärker von dort wegzubewegen, dürfte kein Zufall sein. Die neue italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsextremer Lega befindet sich auf Konfrontationskurs mit der EU; liebäugelt wahlweise mit Austritt aus dem Euro oder einem Schuldenschnitt. Beides wäre eine Katastrophe für italienische Banken, deren Aktienkurse auch prompt eingebrochen sind. Die Geldhäuser halten selbst hunderte Milliarden an italienischen Staatsanleihen, wären im Fall eines Schuldenschnitts pleite. Die Pläne könnten daher auch als Signal an die neue Regierung zu verstehen sein, sich zu mäßigen. Andernfalls könnte man ja auch den Firmensitz von Mailand nach Paris verlegen.

In jedem Fall wird die Nachricht die Spekulationen zu grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen unter Europas Banken anfachen. Seit der Finanzkrise gab es unzählige Planspiele, wer mit wem fusionieren oder übernommen werden könnte. Kaum etwas wurde Wirklichkeit. Viele Manager in der europäischen Finanzbranche klagen über "Kleinstaaterei" auf dem Kontinent, während Megabanken aus China und den USA längst der europäische Konkurrenz enteilt seien.

Was aber erschwert Fusionen von großen Banken in Europa, während doch in anderen Branchen munter fusioniert wird? Das liegt im Wesentlichen an unterschiedlichen Auffassungen der nationalen und europäischen Finanzaufseher. Denn eigentlich will man seit der Krise keine Banken mehr haben, die "too-big-to-fail" sind, also zu groß, um ohne die Hilfe des Steuerzahlers gerettet zu werden. Daher müssen Megabanken besonders viel Eigenkapitalpuffer gegen eine Schieflage zurücklegen, weswegen sich Großfusionen oft gar nicht lohnen. Hinzu kommen die nach wie vor großen Unterschiede in der europäischen Bankenregulierung. Viele nationalen Bankenaufseher, allen voran die deutschen, fürchten außerdem, dass Bilanzrisiken verschoben werden, für die bei einer großen Bankenabwicklung dann doch die nationalen Steuerzahler haften müssten.

Die Bankenaufseher der EZB wiederum würden einen paneuropäischen Bankenchampion gerne als Nachweis dafür sehen, dass das die Bankenunion auf einem guten Weg ist. Es soll ja künftig egal sein, wo eine Bank ihren Sitz hat, weil die Regeln überall gleich sind. Die EU leiste sich zu viele Banken, mahnt die EZB stets an - und findet dafür Zustimmung bei vielen Bankern.

Derlei Argumente wird also auch Unicredit-Chef Mustier bemühen, will er eine Fusion mit SocGen wirklich vorantreiben. Im vergangenen Jahr hatte er bereits mit einer Übernahme der Commerzbank geliebäugelt. In Deutschland sind die Italiener ohnehin mit der HypoVereinsbank vertreten. Ob Unicredit jedoch wirklich bereit ist für eine Großfusion, bezweifeln viele Analysten. Mustier baut die Bank zwar erfolgreich um, hat das Kapital um 13 Milliarden Euro gestärkt. Inzwischen ist Unicredit an der Börse mehr wert als SocGen. In der Bilanz schlummern jedoch immer noch viele Milliarden an faulen Krediten.

Ein italienisch-französischer Zusammenschluss würde dabei auch den Druck auf die gebeutelte Deutsche Bank erhöhen, sich etwa mit der Commerzbank zusammenzutun, denn vor der Haustür entstünde ein großer Konkurrent im Firmenkundengeschäft und Investmentbanking.

Bei Unicredit wollte man sich am Montag nicht zu der Spekulation äußern, während SocGen betonte, es habe dazu noch keine Diskussion im Verwaltungsrat gegeben. Zugleich aber verkündeten die Franzosen eine lang erwartete Nachricht, die das Institut für eine Fusion attraktiver machen könnte. Demnach entledigte man sich zweier Altlasten: Nach jahrelangen Verhandlungen einigte sich die Bank mit den US-Behörden auf die Einstellung der Ermittlungen im so genannten Libor-Zins-Skandal und in einer Affäre um Geschäfte mit Libyen. Wie viel genau die Bank nun an zahlen muss, ist noch unklar. Die Rückstellung von einer Milliarde Euro reichen dafür aber offenbar aus. Insgesamt steht die Pariser Bank gut da. Chef Frédéric Oudéa verheimlicht nicht, dass er an der Konsolidierung der Branche teilnehmen will. Man wolle "die strategische Position in verschiedenen Bankbereichen in den nächsten Monaten stärken", kündigte Oudéa kürzlich an. Gut möglich, dass damit auch eine Großfusion gemeint ist.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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