Bankenaufsicht:Litauen lockt

Lesezeit: 2 min

Nach der Finanzkrise wurden die Banken in Europa strenger reguliert. Doch die Bankenaufsicht des osteuropäischen Landes nimmt es damit nicht ganz so genau.

Von Markus Zydra

Sie möchten eine Bank gründen? Ein Gespräch mit der Bankenaufsicht in Litauen könnte helfen. Die Behörde wirbt auf ihrer Homepage mit dem Newcomer-Programm und verspricht eine "kooperative und reibungslose Genehmigung". Darüber hinaus muss die Bank im ersten Jahr ihrer Betriebstätigkeit "keine Strafmaßnahmen" befürchten. Ja, so steht es da. Banklizenz - kein Problem, denkt man nach der Lektüre der Werbeschrift. Die litauische Bankenaufsicht nennt es einen "pro-innovativen Ansatz".

Bankgeschäft ist Vertrauenssache, schließlich geht es um das Ersparte der Bürger. Die Finanzindustrie ist daher mit guten Grund streng reguliert. Doch die litauische Bankenaufsicht - Mitglied der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Eurozone - verspricht, dass Fehler und Vergehen keine Strafe nach sich ziehen würden. Ist das ein kluges Signal an eine Branche, die den Ausbruch der Finanzkrise 2008 in großen Teilen verschuldet hat?

Die Antwort der litauischen Bankenaufsicht bestätigt den Freibrief, doch sie ergänzt ihn um ein Detail. "Wenn es im ersten Jahr regulatorische Abweichungen gibt, verhängen wir keine Sanktionen", sagt Vytautas Valvonis, Direktor der Behörde bei der litauischen Notenbank und fügt hinzu: "Es sei denn, es wäre nötig." Sanktionen seien immer möglich, wenn sie zum Schutze der Gesellschaft unvermeidbar wären. "Betrug und vorsätzlicher Schaden für die Kunden bleiben nicht ohne Konsequenzen."

Diese Information lässt die litauische Bankenaufsicht professioneller dastehen. Allerdings liest man davon nichts im "Newcomer Programm" auf der Homepage der Behörde.

Manche nationale Bankenaufsichtsbehörden in der EU sehen das "Marketing" der Kollegen in Litauen mit Erstaunen, sie wollen sich aber nicht öffentlich dazu äußern. Grundsätzlich gilt: Die Vergabe von Banklizenzen ist europäisch geregelt. Die Europäische Bankenaufsicht bei der EZB ist für die Entscheidung über die Vergabe zuständig. Doch die gesetzliche Harmonisierung gibt den nationalen Behörden immer noch Spielraum. Sie dürfen selbst entscheiden, wie sie ihre Dienstleistung vermarkten und aufpeppen. Die litauische Bankenaufsicht bietet beispielsweise eine Spielwiese ("Sandbox") für Banken an. Fintech-Firmen können neue Technologien "live" und unter Führung und Aufsicht der litauischen Behörde testen.

Das baltische Land will sich in Europa als Zentrum für Finanzinnovationen etablieren. "Die litauische Zentralbank möchte Partner der Finanzwirtschaft werden, um Innovationen und Wachstum zu stärken", sagt Valvonis. Man wolle eine Stütze sein, um Wettbewerb im Finanzsektor zu stimulieren. Die Rolle als Bankenaufseher zum Schutz der Kunden und zur Stärkung der Finanzstabilität blieben davon unberührt.

Die Behörde sieht sich auf einem guten Weg. So sicherte sich die Suchmaschine Google in Litauen eine E-Geld-Lizenz. Die Smartphone-Bank Revolut erhielt kürzlich auch eine litauische Banklizenz, die der britischen Finanzfirma den Zugang zum EU-Markt öffnet - ein womöglich kurzes Glück, sollte es zum harten Brexit kommen.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: