Bahlsen:Mehr Kekse für Ölscheichs

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Bahlsen will wieder wertvoll werden - so wie der goldene Keks, der Anfang des Jahres in Hannover gestohlen und später wieder aufgefunden wurde. (Foto: Holger Hollemann/dpa)

Kekse der Familienfirma Bahlsen kennt in Deutschland fast jeder, aber der Wettbewerb setzt dem Süßwarenhersteller zu. Jetzt kommt der Umbau: Das Design wird verändert, Vertrieb und Produktion sollen besser verzahnt und neue Märkte erschlossen werden. Dennoch werden Stellen wegfallen.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Er hatte sich einen der traditionsreichsten Räume des Unternehmens ausgesucht, um über die Zukunft zu sprechen. Im holzvertäfelten Saal der alten Zentrale in Hannover trat Werner M. Bahlsen vor seine Mitarbeiter. Mehr als zwei Stunden lang erzählte der 64-Jährige, worüber viele seit Wochen rätseln. Bahlsen will die familieneigene Firma umbauen und mehr Profit machen. Und das dürften die gut 2500 Mitarbeiter und die Kunden bald zu spüren bekommen.

Neue Produkte für Jüngere soll es geben, klassische Bahlsen-Kekse bekommen ein neues Design, es sollen mehr Süßwaren im Ausland verkauft werden und vor allem: Die Struktur des Herstellers wird sich verändern - dabei dürften auch Stellen wegfallen und Kosten gespart werden.

Kurz: Bahlsen plant einen Umbau so groß, wie es ihn in der knapp 125 Jahre alten Geschichte bisher kaum gegeben hat. "Wir müssen manche Dinge radikaler machen", sagte Bahlsen vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Dazu soll sich sogar das Design ändern. "Die Marke Bahlsen ist zu alt geworden", sagte er. Fast 150.000 Tonnen Butterkekse, Schokoröllchen, Blätterbrezeln, Eiswaffeln und Zitronenkuchen kommen jedes Jahr aus den fünf Fabriken. Viele der blauen Verpackungen und deren Logo sollen von Mai an anders aussehen. Unangetastet bleibt lediglich der Leibniz-Keks. Den Butterkeks mit den 52 Zacken hatte einst Gründer Hermann Bahlsen - Großvater des heutigen Firmenchefs - erfunden.

Konkurrenz durch Fertigkuchen, Milka und Prinzenrolle

Außerdem will Bahlsen den Konkurrenten trotzen. Mit einem Anteil von 12,5 Prozent ist man in Deutschland noch immer Marktführer bei Keksen, hier wird die Hälfte des Jahresumsatzes (530 Millionen Euro) verdient. Doch das Geschäft ist härter denn je. "Wir sind profitabel, aber nicht genügend", sagte Bahlsen. Die Firma veröffentlicht keine Gewinne. Aber dem Bundesanzeiger zufolge schrumpft der Profit seit längerem, 2011 lag er bei 11,4 Millionen Euro.

Schuld ist der Wettbewerb. So hat Rivale Griesson de Beukelaer das Sortiment rund um den Klassiker Prinzenrolle ausgeweitet. Der US-Süßwarenhersteller Mondelez macht sich mit Milka ebenfalls im Keksregal breit. Auch Oetker mischt seit einiger Zeit mit Fertigkuchen mit. Bahlsen wiederum macht mit dem Schoko-Riegel Pickup Firmen wie Ferrero und Mars das Leben schwer. Gerade der Wettbewerb mit globalen Konzernen sei schwierig, betonte Bahlsen. "Das ist ein Haifischbecken."

Billige Handelsmarken wiederum drücken die Margen aller Hersteller. "Die Preise sind im Keller", sagte Bahlsen. Längst produziert er selbst für Aldi & Co. - doch das bringt bloß Umsatz. Mit den Handelsmarken verdiene Bahlsen kein Geld mehr, heißt es in der Branche.

Daher will die Firma nun in den USA, in China und in den Golfstaaten mehr Kekse verkaufen. Erst kürzlich war Bahlsen selbst in Oman. Die Bedingungen dort seien gut. "Die sind sehr markenaffin und essen wahnsinnig süß." In den Golfstaaten erwarte er ein "massives Wachstum". Anders sei das in China, wo "erst homöopathische Dosen" verkauft würden.

Bei Bahlsen denkt man über Strukturen nach

Doch bis es im Ausland besser läuft, muss der Heimatmarkt es richten, und dort hat Bahlsen ein Problem: Auch die Käufer sind alt geworden. "Wir wollen jüngere Konsumenten ansprechen." Dies soll durch Trendprodukte wie Brownies oder Cookies in kleinen Packungen gelingen. Für den Konzern bedeute das ein Umdenken, sagte er. Leitbild sei nicht mehr das nachmittägliche Kaffeetrinken. Heute würden viele Süßwaren unterwegs gegessen, dafür seien kleine Portionen nötig. Auch die Werbeausgaben sollen um ein Drittel steigen. Dieses Jahr hat der Hersteller etwa 35 Millionen Euro in Werbung gesteckt.

Für die Mitarbeiter hat das Folgen. Seit Monaten denkt die Führung über Strukturen nach und lässt sich von McKinsey beraten. Fest steht bereits: Die Firma baut stark um, und es soll mehr Ausländer und Frauen in der Führung geben. Bisher berichten Werke und einzelne Länder an die Geschäftsführung in Hannover. Künftig soll es eine Holding geben, geleitet von Bahlsen. Unter der Holding sind dann Länder wie Deutschland oder Polen angedockt, die die landeseigenen Werke verantworten. Das soll Vertrieb und Produktion besser verzahnen.

Bahlsen produziert Weihnachtsgebäck trotz Verlusten

Erste Opfer des Umbaus gibt es schon. Christoph Hollemann, bisher Geschäftsführer für Produktion, hat die Firma verlassen. Ein Abbau von Jobs gilt intern als wahrscheinlich. "Es werden Stellen wegfallen, dafür wird es aber auch einen Aufbau geben", sagt ein Insider. Konkrete Pläne hat Bahlsen bisher nicht vorgestellt, das drückt die Stimmung: "Ein Teil der Belegschaft ist verunsichert", heißt es.

Bleibt zu hoffen, dass Bahlsen seine Mitarbeiter so freundlich behandelt wie kürzlich die Kunden. Als bekannt wurde, dass Bahlsen aus Kostengründen kein Weihnachtsgebäck mehr backen will, gab es einen Aufschrei. Da griff die Familie ein. Jetzt macht Bahlsen weiter: mit 26 statt bisher 46 Weihnachtsprodukten. Obwohl dieses kleine Sortiment weiter Verlust macht.

Werner Bahlsen jedenfalls dürfte diesen Wandel nur noch ein paar Jahre begleiten. Er werde die Firma in zehn Jahren sicher nicht mehr führen und seine Kinder wohl auch nicht, sagte er jetzt. "Wahrscheinlich keiner aus der Familie." Doch darüber solle dann der Beirat entscheiden.

© SZ vom 19.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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