Bagatell-Kündigungen:Emmely und die Folgen

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Eine Zugabfertigerin der Deutschen Bahn betrügt ihren Arbeitgeber um 160 Euro. Doch ihre Entlassung ist nicht rechtens, das Pfandbons-Urteil im Fall Emmely spielt dabei eine wichtige Rolle.

Daniela Kuhr

Die Deutsche Bahn (DB) muss eine Zugabfertigerin wieder einstellen, obwohl diese ihren Arbeitgeber um 160 Euro betrogen hat. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin am Donnerstag entschieden und sich dabei ausdrücklich auf die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Bagatell-Kündigungen im Fall Emmely berufen.

Eine Zugabfertigerin der Deutschen Bahn darf bleiben, obwohl sie ihren Arbeitgeber um 160 Euro betrog. (Foto: dpa)

Die DB-Mitarbeiterin hatte ihr 40-jähriges Dienstjubiläum im Kollegenkreis gefeiert und dafür 90 Euro an Bewirtungskosten bezahlt. Bei ihrem Arbeitgeber existierte eine Regelung, nach der Bewirtungskosten für ein 40-jähriges Dienstjubiläum, sofern sie nachgewiesen sind, bis zur Höhe von 250 Euro erstattet werden. Die Angestellte ließ sich deshalb von der Catering-Firma eine Gefälligkeitsquittung über 250 Euro ausstellen. Als der Betrug aufflog, kündigte die DB ihr fristlos. Zu Unrecht, wie das Landesarbeitsgericht jetzt entschied.

Zwar habe die Arbeitnehmerin durch den Betrug ihre Pflichten grob verletzt, sich strafbar gemacht und daher der Bahn "an sich" einen Kündigungsgrund gegeben. Im Rahmen der Interessenabwägung habe jedoch einiges für die Angestellte gesprochen, entschied das Gericht und stützte sich auch auf das Pfandbons-Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Fall Emmely vom Juni dieses Jahres. Dabei ging es um die Kassiererin eines Supermarkts (Emmely), die von Kunden verlorene Pfandbons im Wert von 1,30 Euro heimlich für sich eingelöst hatte - entgegen der ausdrücklichen Anweisung ihres Vorgesetzten. Anschließend hatte sie sich in Lügen verstrickt und unbeteiligte Kollegen angeschwärzt.

Das Bundesarbeitsgericht hielt ihre fristlose Kündigung nicht für gerechtfertigt. Angesichts der 40-jährigen beanstandungsfreien Beschäftigungszeit hätte der Arbeitgeber die Kassiererin zunächst abmahnen müssen, meinten die Richter. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

Diese Rechtsprechung übertrug das Landesarbeitsgericht jetzt auf den Fall der Zugabfertigerin. Auch bei ihr hätten demnach die 40 beanstandungsfreien Dienstjahre zu einem "sehr hohen Maß an Vertrauenskapital" geführt. Dieses sei durch eine einmalige Verfehlung nicht vollends zerstört, zumal die Angestellte - anders als die Kassiererin im Pfandbons-Fall - den Fehler außerhalb des Kernbereichs ihrer Tätigkeit begangen habe. Hinzu komme, dass sie - ebenfalls im Gegensatz zur Kassiererin - ihren Fehler sofort eingeräumt, keine falschen Angaben gemacht und niemanden zu Unrecht beschuldigt habe (Aktenzeichen: 2 Sa 209/10).

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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