Finanzaufsicht:Die Grenzen überschritten

Lesezeit: 2 min

Ein Gutachter kritisiert, dass die Bafin rechtlich zweifelhaft handelt - und damit manche Geldhäuser benachteiligt.

Von Alexander Hagelüken, München

Wie wacht die Finanzaufsicht Bafin über die deutschen Banken? Ein Gutachter kritisiert nun, dass sie immer stärker über informelle Rundschreiben oder Pressemitteilungen reguliert - und damit manche Geldhäuser benachteiligt. Der Berliner Rechtsprofessor Lars Klöhn sieht eine "grundsätzliche Gefahr, dass die Bafin die Grenzen des aufsichtsrechtlich Zulässigen systematisch überschreitet".

Klöhn analysiert, dass die Finanzaufsicht gerade in jüngster Zeit immer häufiger zu weichen Instrumenten greife, um ihre Ziele durchzusetzen. Rundschreiben oder Pressemitteilungen hätten zwar keine rechtliche Bindungswirkung. In der Realität wirkten sie aber wie geltendes Recht, weil Banken ihre öffentliche Reputation riskierten, wenn sie mit der Bafin stritten. Geldhäuser scheuten die Auseinandersetzung "auch dann, wenn sie der Ansicht sind, dass die Bafin rechtswidrig handelt", so das Gutachten im Auftrag des bayerischen Genossenschaftsverbands, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Rechtsprofessor Klöhn illustriert das Problem anhand eines Beispiels aus dem Frühjahr 2020. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie machte die Finanzaufsicht klar, dass die Banken lieber keine Dividenden ausschütten sollten. Dafür habe es keine Rechtsgrundlage in schriftlichem Recht gegeben. Bafin-Direktor Raimund Röseler habe im hauseigenen Journal erklärt: "Wer aber entgegen allen Empfehlungen erlaubt, dass sein Institut in diesen schweren Zeiten Dividenden ausschüttet, der sollte sich fragen, ob er noch das volle Vertrauen der Bankenaufsicht verdient."

Die Argumentation des Gutachters: Hätte die Aufsicht den Dividendenstopp als formalrechtliche Allgemeinverfügung ausgesprochen, wäre diese verfassungsrechtlich nicht haltbar gewesen. Denn sie habe nicht zwischen der Größe und finanzieller Stabilität der Geldhäuser unterschieden - und etwa Volks- und Raiffeisenbanken härter getroffen als Privatbanken. Die genossenschaftlichen Geldhäuser hätten ein so grundsolides Geschäftsmodell, dass ihre Ausschüttungen in der Praxis eher wie ein Zins wahrgenommen werde. Anders als die Aktionäre einer Privatbank, könnten die Mitglieder einer Genossenschaftsbank ihre Einlagen zurückfordern, wenn die Ausschüttung ausbleibt. Dies hätten vor allem einige Neumitglieder gemacht, wodurch das Eigenkapital einiger Genossenschaftsbanken geschwächt worden sei.

Eine Behörde dürfe nicht zum Gesetzgeber werden, sagt ein Raiffeisenbanken-Präsident

Klöhn, der an der Berliner Humboldt-Universität Bürgerliches und Wirtschaftsrecht lehrt, sieht in der informellen Regulierung auch Chancen. So könne sie zum Beispiel die Transparenz der Aufsicht erhöhen, zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen beitragen und Streitigkeiten vermeiden. Er warnt aber vor den Legitimations- und Rechtsstaatlichkeitsproblemen, die damit zusammenhingen.

"Der Rechtsstaat darf nicht zulassen, dass eine Behörde in der Praxis einfach die Rolle des Gesetzgebers übernimmt", sagt Jürgen Gros, Präsident der bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken. "Dort, wo es keine gesetzlichen Regelungen gibt, kann nicht die Bafin diese Lücke über informelle Methoden füllen und quasi Recht setzen. Ein solches Vorgehen steht einer Behörde nicht zu." Die Finanzaufsicht müsse zurück ins rechtsstaatliche Korsett, fordert Gros - dies müsse zu einem Teil der anstehenden Bafin-Reform der werden.

Die Finanzaufsicht ist zuletzt öfter in die Kritik geraten, etwa wegen mangelnden Anlegerschutzes und dem Wirecard-Skandal. Der Milliardenbetrug beim Zahlungsdienstleister ging komplett an der Aufsicht vorbei. Nach der Entlassung von Präsident Felix Hufeld soll nun Mark Branson von der Schweizer Finanzaufsicht die Bafin umkrempeln.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: