BAE-Systems-Chef Ian King:Pragmatiker hinter dem Milliardendeal

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Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Ian King die Fusion der beiden Rüstungsriesen EADS und BAE Systems vorantreibt. Der Brite ist eher kühler Finanzmanager als Visionär. Doch nun geht es um die Zukunft seines Konzerns - und für die ist der Zusammenschluss mit EADS enorm wichtig.

Jens Flottau

Maggie Turpin dachte zunächst an einen schlechten Witz. Sie hatte eines Morgens im Büro des BAE-Systems-Chefs angerufen, um über die Zukunft des Werkes in Brough zu sprechen. Dort baut der britische Rüstungskonzern seit mehr als 20 Jahren das Trainingsflugzeug Hawk, doch nun soll das Werk dichtgemacht werden. Turpin trägt jetzt deshalb oft T-Shirts mit der Aufschrift "Battle for Brough" und hofft, dadurch noch irgendwie verhindern zu können, dass ihr Mann - wie fast 1000 weitere Männer und Frauen in dem Ort - seinen Arbeitsplatz verliert. Jedenfalls klingelte einige Stunden, nachdem sie im Sekretariat ihr Anliegen vorgebracht hatte, bei den Turpins das Telefon. Am Apparat: Ian King.

Ian King, der Chef des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems, ist einer der Hauptakteure hinter der geplanten Fusion mit EADS. (Foto: REUTERS)

So ein Anruf macht sich natürlich gut, denn er vermittelt den Eindruck, als kümmere sich der viel beschäftigte Konzernchef routinemäßig auch um Einzelschicksale seiner mehreren Zehntausend Mitarbeiter. Solche Geschichten werden weitererzählt, finden ihren Weg in die Lokalzeitung und von dort aus in die Welt. Gar nicht schlecht, zumal in diesen Zeiten, da King viel größere Probleme plagen als die Zukunft eines vergleichsweise kleinen Standortes. Es geht für den BAE-Systems-Chef schließlich um die Zukunft des Konzerns.

"Nicht angemessen, schon von einem erfolgreichen Abschluss zu sprechen"

King ist neben dem Deutschen Thomas Enders eine der Hauptfiguren in den schwierigen Verhandlungen über die geplante Fusion des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS mit BAE Systems. King muss dabei aber nicht nur bei seinen Anteilseignern und der britischen Regierung für gute Stimmung sorgen, damit diese das Mega-Geschäft durchwinken. Er muss sich auch um seinen derzeit noch mit Abstand wichtigsten Kunden kümmern, das amerikanische Verteidigungsministerium: Die Amerikaner treibt nämlich die Sorge um, dass demnächst die französische und die deutsche Regierung bei BAE Systems das Sagen haben werden und dadurch Einblicke gewinnen könnten in Pentagon-Interna. Seinen Mitarbeitern schickte King vor ein paar Tagen einen Brief, in dem er ziemlich nüchtern schrieb, es sei "nicht angemessen, schon von einem erfolgreichen Abschluss zu sprechen."

Es sei überhaupt noch nicht sicher, dass die angepeilte Fusion gelinge.

Es ist auch ein bisschen eine Ironie des Schicksals, dass nun ausgerechnet King der Mann ist, der dieses Geschäft vorantreibt. Denn für BAE Systems bedeutet es eine komplette Kehrtwende. King ist bislang nicht als Visionär aufgefallen, sondern als Macher, als kühler Finanzmanager. Er hat Karriere in der britischen Verteidigungsindustrie gemacht, mit dem zivilen Geschäft der Branche hatte er wenig zu tun. Das passte gut zum Konzern. Denn BAE Systems hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr aus diesem Geschäft zurückgezogen. 2008 verkaufte der Konzern schließlich auch die 20-prozentige Beteiligung, die er noch an Airbus gehalten hatte. Und nun also der Umkehrschub: der Zusammenschluss zu einem Konzern, in dem Zivilgeschäft und Militärbereich annähernd gleich groß sein werden.

Doch King hat gute Argumente für die Fusion. Denn derzeit steckt das größte Wachstumspotenzial in der Passagierluftfahrt, während die Verteidigungshaushalte weltweit schrumpfen. Daran ändert sich zwar nichts durch eine Fusion, aber als Teil einer größeren Gruppe ist man in einer besseren Position. "Ich bin von Natur aus Pragmatiker", sagt der heute 56-Jährige von sich selbst, und das ist wohl auch die beste Erklärung für seinen Schwenk.

Nach dem Studium begann King seine Karriere bei Verteidigungselektronik-Spezialisten Marconi 1976. Nach zehn Jahren wurde er Finanzchef von Marconi Defense Systems, danach, von 1992 bis 1998, Finanzchef von Marconi Electronic Systems (MES). King und seine Mannschaft verhinderten vor 14 Jahren, dass zwei Vorgängergesellschaften von EADS und BAE Systems, Daimler Chrysler Aerospace (Dasa) und British Aerospace, ihre schon fast beschlossene Fusion auch umsetzten. Stattdessen entstand aus British Aerospace und MES die heutige BAE Systems. Die damalige Dasa bildete zusammen mit Aerospatiale-Matra und Casa (Spanien) EADS.

King machte derweil Karriere bei BAE Systems: Er war zunächst Strategievorstand, dann, 2007, operativer Chef des Konzerns, und ein Jahr später löste er Mike Turner an der Spitze ab. King sollte die Wogen glätten nach einem Korruptionsskandal im Zusammenhang mit einem Milliardenauftrag aus Saudi-Arabien, dem großen Absatzmarkt, der noch Wachstumspotenzial zu haben versprach.

Und tatsächlich widmete King zunächst einen großen Teil seiner Arbeitszeit dem Versuch, bessere Ethikstandards und Kontrollmechanismen in der Firma einzuführen. Der Zeitung Daily Telegraph sagte er im vergangenen Jahr, er erwarte nicht, dass er und BAE Systems nun in der britischen Öffentlichkeit geliebt würden. Respekt würde schon reichen.

Bei Maggie Turpin ist ihm das mit seinem Anruf gelungen. Doch einen leichten Stand hatte er bei ihr dennoch nicht. "Sie machen aus der Heimat des Hawk die Heimat der Arbeitslosen", habe sie ihm vorgeworfen, erzählt die rüstige Britin. Ob er noch Chancen sehe, etwas an den Plänen zur Werkschließung zu ändern? Kings Antwort sei kurz und klar gewesen: "Nein."

© SZ vom 25.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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