Automobilindustrie:Sparen in Schwaben, klotzen in Kalifornien

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Daimler und Tesla verkünden Quartalszahlen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Von Stefan Mayr, Stuttgart/München

Jede Menge Erfolgsmeldungen aus Palo Alto, viele düstere Prognosen in Stuttgart. Am Mittwoch und Donnerstag haben die Autobauer Tesla und Daimler ihre Quartalszahlen vorgestellt - und dabei eine Diskrepanz offengelegt, die wohl noch nie größer war: Tesla machte trotz Corona-Krise einen Überschuss von 90 Millionen Euro, Daimler verbuchte einen Verlust von zwei Milliarden Euro. Tesla-Chef Elon Musk kündigte nach dem vierten Quartalsgewinn in Folge den Bau eines neuen Werks in Texas an, Daimler-Boss Ola Källenius deutet dagegen den weiteren Abbau von Produktionsstätten an.

Das wirft Fragen auf: Welches ist das bessere Unternehmen? Und: Welche Aktie sollte man derzeit kaufen? Die Aktie stieg am Donnerstag auf ein neues Allzeithoch über 1400 Euro, der Börsenwert von Tesla beträgt damit 251 Milliarden Euro. Tesla ist somit mehr wert als alle anderen Auto-Hersteller aus Europa und den USA zusammen. Daimlers Papiere bewegen sich bei der 40-Euro-Marke, der Börsenwert liegt bei 40 Milliarden. Sind die einen hoffnungslos überbewertet und die anderen unterbewertet? Oder sind Teslas Aussichten wirklich so rosig und die von Daimler so miserabel - obwohl die Schwaben viel mehr Autos verkaufen als die Kalifornier? Frank Schwope von der Nord LB erachtet Tesla einerseits "mittelfristig als Gewinner der Corona-Krise, weil die "Zukunftstechnologien Elektromobilität und Autonomes Fahren "als Symbol für den Aufbruch in die Post-Corona-Ära deutlichen Auftrieb bekommen". Dennoch sei Tesla "deutlich zu hoch bewertet", deshalb erwartet Schwope "Rückschläge für die Aktie" und empfiehlt: "Verkaufen".

Daimler verbuchte einen Verlust von zwei Milliarden Euro. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Für Daimler-Aktionäre lautet Schwopes Empfehlung: "Halten". Der Konzern sei bei der Elektromobilität "ins Hintertreffen geraten", aber Schwope sieht auch Lichtblicke wie die jüngste Markterholung - vor allem in dem wichtigsten Markt in China.

Daimler-Chef Ola Källenius sprach am Donnerstag von "herausfordernden" Monaten - in der Vergangenheit und in der Zukunft. Durch die Corona-Krise sei der Absatz bei den Pkws im zweiten Quartal um 30 Prozent gesunken, bei den Lkws sogar um 55 Prozent. "Dieses ungewöhnliche Loch kann man im zweiten Halbjahr nicht gutmachen", räumte der Schwede ein. Aber er hatte auch gute Nachrichten: In China sei trotz allem ein neuer Quartals-Bestwert gelungen. Und am Ende des Jahres rechne er wieder mit einem positiven operativen Ergebnis. Dies aber nur, sofern es keine zweite Corona-Welle gebe.

Angesichts der Lage wachsen die Zweifel an Dieter Zetsche als Daimler-Aufsichtsratschef

Auf längere Sicht bereitete er die 300 000 Mitarbeiter auf ein verschärftes Sparprogramm vor. Vor der Corona-Pandemie hatte der Konzern angekündigt, er wolle bis 2022 1,4 Milliarden Euro Fixkosten sparen. Das wird nun nicht mehr reichen, wie er nun betonte: "Jetzt haben wir eine neue wirtschaftliche Lage." Daimler müsse "alle Kostenarten anschauen", sowohl Verwaltungspersonal als auch Produktionsstätten. Zahlen nannte er nicht. Offiziell bestätigt ist bislang der Abbau von "mindestens 15 000" Stellen und der Verkauf der Fabrik im französischen Hambach. Einen Bericht, wonach Daimler 30 000 Jobs abbauen wolle, bezeichnete Källenius als "völlig freie Spekulation". Andererseits schloss er betriebsbedingte Kündigungen nicht aus: Diese seien "das letzte Mittel", man spreche mit dem Betriebsrat, um den Abbau sozialverträglich zu gestalten.

Für 2021 kündigt Källenius die ersten Elektro-Fahrzeuge an, die eine ernsthafte Konkurrenz für Tesla sein sollen: Der EQS ist die erste Limousine und soll 700 Kilometer Reichweite haben. Danach sollen die Modelle EQA und EQB folgen. Diese müssen laufen, sonst wird es noch ungemütlicher in Stuttgart. Generell will Källenius Daimler mehr auf den Premium-Markt fokussieren: "Das höchste Potenzial haben wir am oberen Ende der Segmente."

Mit diesem Credo distanziert sich Källenius von seinem Vorgänger Dieter Zetsche, der das Daimler-Portfolio nach unten ausgeweitet hatte. Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler begrüßt diese Neuausrichtung: "Langsam gelingt es Källenius, Zetsches Ballast abzuwerfen und eigene Akzente zu setzen." Pieper: "Ich sehe eine Aufbruchstimmung und die war auch dringend erforderlich." Um diese nicht zu gefährden, fordert Pieper, Ex-Vorstandschef Zetsche nicht als Aufseher zu nominieren: "Zetsche als Aufsichtsratschef wäre eine echte Katastrophe." Jetzt, wo Daimler die Vergangenheit hinter sich lasse, wäre das "ein Rückfall in alte Zeiten, die es ja zu überwinden gilt". Auch, um Tesla nicht noch mehr davonbrausen zu lassen.

Tesla schaffte umgerechnet 90 Millionen Euro Überschuss. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Zetsche hatte einst vier Prozent Anteile an einem Startup namens Tesla erworben - und diese dann 2014 für 780 Millionen Euro verkauft. Der Gewinn damals war exorbitant. Aber hätte der Konzern die Aktien gehalten, bekäme er heute zehn Milliarden dafür. Das ist ein Viertel des Daimler-Börsenwerts.

© SZ vom 24.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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