Autoindustrie:Langsam anfahren

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Die Hersteller leiden - und denken doch schon an die Zukunft. In einigen Werken geht die Produktion langsam los. Aber der Weg zurück zur Normalität ist lang.

Von Max Hägler, München

Eine ganz neue Schätzung verheißt weiterhin Schlechtes für die Autoindustrie. In diesem Jahr werde der Autoverkauf in Europa wegen der Corona-Krise um 31 Prozent einbrechen, so die Analysten der Bank Goldman Sachs. Ihre vorangegangene Prognose lag bei minus 25 Prozent. Bereits vor Covid 19 lief die Nachfrage schleppend auf dem Kontinent. Jetzt sind Fabriken und Autohäuser geschlossen und Arbeiter in Kurzarbeit.

Tatsächlich verwaltet die Industrie aber nicht mehr nur den Rückgang. Die Planungen für die Zeit danach laufen, so etwa beim Münchner Autokonzern BMW: 5000 Roboter hat das Unternehmen beim Maschinenbauer Kuka aus Augsburg geordert. In der Fahrzeugmontage oder für Lackiererarbeiten werden sie in den kommenden Jahren installiert werden. Von einem "bedeutenden Auftrag" ist beim Roboterbauer die Rede. Und es ist ein Signal, dass die Autoindustrie trotz der Krise investieren will.

Audi fertigt in seinem Werk in Ungarn wieder Motoren, aber viel weniger als bislang

Aber es sind Bestellungen und Planungen für die kommenden Jahre. Die noch größere Aufgabe ist die Planung der kommenden Wochen und Monate - und der Anlauf aus der virusbedingten Betriebsruhe. In Steyr, Österreich, wird bereits wieder die G-Klasse von Mercedes gebaut. Audi fertigt in seinem ungarischen Werk in Györ wieder Motoren, aber statt 8000 nur einige hundert Motoren am Tag. Auch im Hyundai-Werk Nosovice in Tschechien stehen die Bänder nach über drei Wochen Coronavirus-Betriebspause nicht mehr still, aber es arbeiten nur zwei von drei Schichten. Und mehrere Hundert VW-Angestellte haben in deutschen Komponentenwerken die Arbeit wieder aufgenommen, um VW-Fahrzeugfabriken in China mit Teilen zu versorgen.

Doch es sind nur kleine Beispiele, die nicht für einen reibungslosen Neustart stehen. Vielerorts soll es Ende April wieder losgehen, aber es wird herausfordernd. Nicht nur wegen der strengen Hygienerichtlinien, die bei vielen Autobauern nun gelten, etwa eine Maskenpflicht bei VW bei Kollegenkontakten unter 1,5 Metern. Die Autobranche hat so vielen Variablen, dass es lange dauern wird, bis das Niveau vor der Krise erreicht sein wird.

Es geht um die gesamte Kette, von Produktion bis zum Autokauf. Welche Teile sind da, welche fehlen, weil ein Zulieferer irgendwo anders in Europa oder der Welt seine Fabrik noch geschlossen halten muss aufgrund von Pandemie-Regelungen oder weil zwischenzeitlich das Geld ausgegangen ist? Oder weil die Grenzen dicht sind und Lastwagen festhängen? Trotz Datenbanken und digitaler Steuerung ist der Überblick nur schwer zu behalten, weil jedes Land, mitunter auch jedes Bundesland, eigene Vorschriften zur Corona-Bekämpfung erlassen hat.

Die Pandemie werde so zu einem "Katalysator für eine Marktbereinigung", sagt Constantin Gall, Autoindustrie-Experte bei der Unternehmensberatung EY. Sowohl bei Zulieferern als auch bei Händlern fürchtet er eine Welle von Insolvenzen. Es werde Übernahmen und aus der Not geborene Fusionen geben. Und dann sind da die geschlossenen Autohäuser und Zulassungsstellen, die das Geschäft erschweren, wie Hildegard Müller anmerkt, die Präsidentin des Autolobbyverbandes VDA.

Doch selbst wenn Produktion und Verkauf bald wieder anliefen, sei die Krise nicht bewältigt, schätzt Gall: "Denn eine deutlich gestiegene Arbeitslosigkeit, Unternehmensinsolvenzen und Einkommensverluste werden die Nachfrage dämpfen." Es würden daher wohl staatliche Kaufanreize nötig, weil sonst unzählige Wagen auf Halde produziert werden.

Eine Sicht, die immer mehr Autofirmen in Deutschland teilen - VW und BMW etwa - und auch manche Politiker. So schlägt etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine staatliche Kaufprämie vor. Sein bayerischer Kollege Markus Söder (CSU) spricht von einer "Innovationsprämie", die noch höher sein sollte als die Abwrackprämie nach der Weltwirtschaftskrise 2009. Die Händler würden das selbstverständlich begrüßen: Durch die Corona-Bekämpfung sei sein Geschäft auf 20 Prozent geschrumpft, klagt etwa Burkhard Weller, einer der größten BMW-Händler Deutschlands.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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