Autoindustrie:Angst um Jobs

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Die geplante Fusion von Fiat Chrysler und PSA macht Beschäftigten und Politikern Sorgen. Was bedeutet das für Opel? Der neue Konzernchef gilt als jemand, der hart durchgreift.

Gewerkschaften und Beschäftigte der Autoindustrie sind in Alarmstimmung. Sie befürchten durch die jetzt angekündigte Fusion von Fiat Chrysler und der Opel-Mutter PSA Werksschließungen und den Abbau von Arbeitsplätzen. Die Pläne werden sehr skeptisch gesehen, weil sich die Branche ohnehin im Umbruch befindet und der Verlust von Tausenden Jobs bei Unternehmen und Zulieferern droht.

PSA-Chef Carlos Tavares, der den neuen Konzern führen soll, sagte diesem am Donnerstag dagegen eine "strahlende Zukunft" voraus. Politiker wie der französische Finanzminister Bruno Le Maire lobten, dass die beiden Hersteller zusammen eine dringend notwendige "kritische Größe" erreichten. Die Regierungen in Frankreich und Italien erklärten dagegen, sie würden nun genau auf die Beschäftigung achten.

Die Regierungschefs der Opel-Länder Hessen und Rheinland-Pfalz zeigten sich ebenso besorgt. Die bis Mitte 2023 geltende Jobgarantie für Opel dürfe nicht aufgeweicht werden, erklärte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer (SPD) sagte dem SWR, es dürfe nicht nochmal zu einem Stellenabbau kommen. Bereits bei der Integration von Opel in den PSA-Konzern hätten die Opelaner einen großen Beitrag geleistet. So wie bei der Übernahme von Opel vor zwei Jahren hieß es zur Fusion jetzt, es solle ohne Werksschließungen Milliarden an Kostensenkungen geben. Dennoch ist die Zahl der Opelaner von 19 000 vor dem Wechsel von General Motors zu PSA mittlerweile fast um ein Drittel geschrumpft - durch freiwilliges Ausscheiden und den Verkauf eines Teils der Entwicklung. Das trug neben einer sparsameren Produktion mit PSA-Technik dazu bei, dass Opel nach 18 Jahren Verlust im ersten Halbjahr 700 Millionen Euro Betriebsgewinn erzielte.

Opel müsse jetzt noch stärker im internen Wettbewerb um Investitionen kämpfen, erklärte Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management an der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Daher sei es sinnvoll, wenn sich die deutsche PSA-Tochter in der Entwicklung neue Themen sichere wie Assistenzsysteme oder Fahrzeug-Vernetzung. Die IG Metall pochte auf die Eigenständigkeit der Rüsselsheimer. Bezirksleiter Jörg Köhlinger erklärte, Spekulationen über negative Folgen für die Opel-Standorte schadeten nur.

PSA-Chef Carlos Tavares soll den neuen Konzern lenken. Er gilt als harter Sanierer

Durch den Zusammenschluss entstünde der weltweit viertgrößte Autobauer nach Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan mit einem Absatz von 8,7 Millionen Fahrzeugen, 170 Milliarden Euro Umsatz, elf Milliarden Euro Betriebsergebnis und 410 000 Beschäftigten. Tavares würde künftig ein Imperium von 16 Automarken regieren - neben Fiat und Chrysler, Peugeot, Citroen und Opel-Vauxhall etwa die US-Marken Jeep und Chrysler, ebenso die Luxuswagen von Maserati. Eine Stärke von PSA ist die kostengünstige Entwicklung und Produktion von Elektroautos. Das könnte Fiat Chrysler Automobiles (FCA) nützen, die schon länger auf Partnersuche sind, um Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und die anderen Technologietrends stemmen zu können. Für Fiat Chrysler sei das die Rettung, erklärte Jürgen Pieper, Autoexperte vom Bankhaus Metzler. "Das Unternehmen ist doch technologisch sehr stark zurückgefallen und hätte alleine enorme Schwierigkeiten, bei E-Mobilität und anderen Zukunftsthemen mit den anderen mitzuhalten." FCA kann zudem mit seiner starken Marktstellung in den USA mit profitablen SUV- oder Pickup-Modellen punkten.

Die Aufsichtsgremien beider Unternehmen strebten einen Konzern an, der jeweils zur Hälfte den Anteilseignern von FCA und PSA gehört, teilten die Unternehmen weiter mit. Neben Tavares als operativem Chef soll John Elkann, 43, Ururenkel des Fiat-Gründers Gianni Agnelli senior, als Verwaltungsratschef den Autokonzern leiten. Eine erste formelle Vereinbarung zur Fusion soll in den kommenden Wochen erarbeitet werden.

Bei FCA hat die Holding der Gründerfamilie Agnelli als Großaktionär das Sagen, bei den Franzosen sind mit jeweils gut zwölf Prozent die Familie Peugeot, der französische Staat und über den Fahrzeughersteller Dongfeng auch China die größten Anteilseigner. PSA und FCA waren schon im Frühjahr im Gespräch, doch Elkann versuchte zunächst erfolglos, einen Zusammenschluss mit Frankreichs Nummer eins Renault zu erreichen. Tavares sei jetzt die treibende Kraft gewesen, sagten mit den Vorgängen Vertraute. Der 61-jährige Portugiese hat einen Ruf als harter Sanierer, der Peugeot vor der Pleite rettete.

"Yes he can", schrieb Max Warburton, Analyst von Bernstein Research, mit Blick auf den komplexen Zusammenschluss von PSA und FCA. Während andere Top-Manager Ferraris, Flugzeuge oder Weingüter anhäuften, sammele Tavares nur seine Quittungen. Er habe jahrelang über einen Deal mit FCA gegrübelt und studiert, was er tun müsse - Marke für Marke, Region für Region, Produkt für Produkt. "Es gibt detaillierte Schlachtpläne im Safe der PSA-Zentrale", vermutet Warburton.

© SZ vom 02.11.2019 / SZ/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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