Audi:Schweigegeld-Verdacht

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Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch muss gehen. Audi verhindert damit ein Gerichtsverfahren.

Von Klaus Ott

Stefan Knirsch war keine neun Monate Entwicklungsvorstand bei der Ingolstädter VW-Tochter Audi, als er vor knapp einem Jahr bereits wieder gehen musste. Der Motorenexperte, so stellte es sich im September 2016 heraus, war in die Abgasaffäre verwickelt. Reich entlohnt worden ist der Kurzzeit-Vorstand trotzdem. Er erhielt zwei Millionen Euro Gehalt und Boni. Außerdem sagte ihm Audi "im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vorstand" noch eine Vergütung in Höhe von 3,8 Millionen Euro zu. So steht es in dem im März 2017 veröffentlichen Geschäftsbericht für 2016. Was dort nicht steht: Wie sehr Knirsch in der Affäre um manipulierte Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen belastet ist.

Das zeigt sich erst jetzt; anhand interner Audi-Unterlagen sowie durch Ermittlungsergebnisse der Behörden und weitere Erkenntnisse. Nach Informationen von SZ, NDR und WDR ist Knirsch schwer verstrickt in die Affäre. Er war als Leiter der Aggregate-Entwicklung bei Audi offenbar ab Herbst 2013 im Bilde über die Manipulationen. Er hätte eingreifen können, er soll dies aber unterlassen haben. Der Betrug flog erst zwei Jahre später auf und kostete Volkswagen zusammen mit Audi in den USA mehr als 20 Milliarden Dollar an Strafen und Schadenersatz für die getäuschten Autokäufer. Die versprochenen "Clean Diesel" waren Dreckschleudern gewesen.

Wenn Knirsch so schwer belastet ist, warum bekommt er dann so viel Geld von Audi? Dafür gibt es wahrscheinlich nur eine Erklärung: Die VW-Tochter will Gerichtsverfahren vermeiden, in denen schmutzige Wäsche gewaschen wird. In denen öffentlich erörtert wird, wer bei Audi manipuliert hat; wie das viele Jahre lang lief; wer davon gewusst hat; und warum das nicht abgestellt wurde. Ist die Millionenabfindung für den Neun-Monate- Vorstand eine Art Schweigegeld, damit Knirsch sein Wissen über die Abgasaffäre bei Audi nicht öffentlich preisgibt? Auf diese Anfrage antworten Audi und Volkswagen wie folgt: "Knirsch ist im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat ausgeschieden. Wie in solchen Fällen üblich sind die Modalitäten Vereinbarungssache zwischen Knirsch und dem Aufsichtsrat." Dies wolle man nicht weiter kommentieren.

Das Wissen von Knirsch um die Abgasaffäre besteht nach Erkenntnissen von Behörden vor allem in einer internen Audi-Präsentation ("Risikoeinschätzung") vom 11. Oktober 2013. Motorenexperten hatten auf elf Seiten vor der "Aufdeckung" einer verbotenen Software gewarnt. Der kalifornischen Umweltbehörde CARB seien falsche oder nicht vollständige Angaben gemacht worden. Auch bei der US-Umweltbehörde EPA drohe Ärger. 62 000 Autos seien betroffen, Strafen könnten sich auf bis zu 37 500 Dollar pro Fahrzeug belaufen. Die US-Behörden könnten auch Rückrufe anordnen oder im schlimmsten Fall die Zulassung entziehen.

Ein Volkswagen-Ingenieur, gegen den ermittelt wird, hat Knirsch belastet. Der Ingenieur sagte aus, Knirsch habe wegen dieser Präsentation mit einem Kollegen von VW telefoniert. Diese Aussage liegt US-Behörden vor. Ein anderer damaliger Motorenexperte aus dem VW-Konzern hat in einer Art Memorandum notiert, Knirsch habe die Risikoeinschätzung auch mit einem Audi-Kollegen besprochen und anschließend angewiesen, keine Selbstanzeige bei den US-Behörden zu erstatten. Der Anwalt des Ex-Audi-Vorstands teilt dazu auf Anfrage mit, sein Mandant wolle "keine Stellungnahme abgeben".

Alle schweigen zum Schweigegeld-Verdacht. Im Audi-Geschäftsbericht des vergangenen Jahres steht übrigens der schöne Satz: "Die Audi AG wird auch weiterhin keine Regel- und Gesetzesverstöße tolerieren."

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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