Galvus ist eine hellgelbliche Tablette. Sie ist flach und rund und hat einen Durchmesser von etwa acht Millimetern. Etwas mehr als 300 000 Menschen in Deutschland haben bis vor kurzem ein oder zwei Pillen am Tag genommen. Der Wirkstoff Vildagliptin reguliert bei Patienten, die an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind, den Zuckerspiegel im Blut.
Doch müssen sich die Patienten nun an eine Alternative gewöhnen. Denn der Hersteller Novartis hat sich entschieden, den Wirkstoff seit Juli nicht mehr in Deutschland anzubieten. Das ist kein Einzelfall. Im Mai schon hatte Sanofi-Aventis die ebenfalls gegen Diabetes eingesetzte Spritze Lyxumia vom Markt genommen.
Das Nachsehen hätten die Patienten, wie der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), findet. Zigtausend von ihnen müssten auf neue Medikamente umgestellt werden, schreibt er in einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Positionspapier. Das sei medizinisch zwar möglich, für die Betroffenen aber aufwendig und umständlich. Und Spahn macht in seinem Papier auch einen Schuldigen für die Benachteiligung der Patienten aus: die gesetzlichen Krankenkassen und deren Spitzenverband.
Tatsächlich hatten beide Entscheidungen einen gemeinsamen Grund. Die Hersteller konnten sich mit dem Spitzenverband nicht auf einen Preis für ihre Mittel einigen. Sprich, die Kassen wollten weniger zahlen als die Firmen akzeptieren wollten. Und diese entschieden sich deshalb, den größten Markt in der Europäischen Union nicht mehr zu beliefern. Denn ein viel zu niedriger Preis in Deutschland hat für die Pharmakonzerne weltweite Folgen. Denn die deutschen Preise dienen vielen anderen Ländern der Welt als Orientierungswert. Wird hierzulande ein niedriger Preis festgelegt, leiden die Umsätze auch an vielen anderen Orten. Da ist es unter Umständen sinnvoller, auf den deutschen Markt zu verzichten, um anderswo höhere Preise nehmen zu können.
Spahn: Die Situation der Anbieter ausgenutzt
Spahn wirft dem Spitzenverband der Krankenkassen in seinem Papier vor, diese Situation der Anbieter ausnutzen zu wollen. "Der GKV-Spitzenverband mag darauf spekulieren, dass der Hersteller schon auf dem Markt bleibt", schrieb er. Doch das gehe immer öfter schief. Am Ende könnten wegen dieser Zockerei die erhofften Einsparungen nicht realisiert werden. Es entstünden sogar erhebliche Mehrkosten.
Um das zu verstehen, muss man den Mechanismus der Preisverhandlungen kennen. Ein Jahr lang können die Hersteller ihre neuen Medikamente zu einem beliebigen Preis in Deutschland verkaufen. Dann legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) den Zusatznutzen des Wirkstoffes fest und auf dieser Basis beginnen dann die Verhandlungen. Man kann sagen, je höher der Zusatznutzen, desto höher der Preis, den der Hersteller nehmen kann.
Novartis hatte bei Vildagliptin schlechte Karten, denn der Wirkstoff hat nach Auffassung des GBA keinen Zusatznutzen im Vergleich zu einer bereits vorhandenen anderen Therapie. Und das nutzte der GKV-Spitzenverband nach Spahns Worten weidlich aus. Obwohl Novartis in den Verhandlungen Preise angeboten habe, die deutlich unteren denen liegen, die heute für vergleichbare Wirkstoffe gezahlt würden.