Arcandor: Prozess gegen Middelhoff:Die Ouvertüre

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Hat der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff in einem Interview bewusst falsche Aussagen gemacht, um den Aktienkurs zu beeinflussen? In Essen wird die Vergangenheit juristisch aufbereitet. Eine besondere Rolle spielt ein spezielles Briefpapier.

Stefan Weber

Am Anfang ist es an diesem Donnerstag ein bischen wie früher zu den besseren Zeiten des Arcandor-Konzerns. Da hatten auf Thomas Middelhoff, den langjährigen Chef der Essener Handels- und Touristikfirma, auch immer Dutzende von Fotografen und Kameramänner gewartet. Da gab er in schönen Worten Journalisten oder Aktionären Auskunft über die Lage des Unternehmens. Dann setzte er stets ein strahlendes Lächeln auf und verkündete, wie gut die Sanierung des Handelsriesen vorankommt.

Zivilprozess gegen Ex-Arcandor-Chef Middelhoff: Thomas Middelhoff im Landgericht Essen. (Foto: dpa)

Auch jetzt schaut Middelhoff in ein Meer von Fotoobjektiven. Aber hier ist nicht der Konferenzraum eines Hotels an der Düsseldorfer Königsallee, in dem er früher zu Pressegesprächen empfing. Hier ist das Landgericht Essen, Saal 201, und die Sache, die am Tag der Heiligen Drei Könige verhandelt wird, ist so ernst, dass auch ein Dauer-Lächler wie Middelhoff plötzlich ernste Züge trägt.

Sicher, seine Erscheinung ist picobello, alles wie gehabt. Maßgeschneiderter blauer Anzug, weißes Hemd, dezente Krawatte, dazu ein brauner Teint. Aber die einst gern gezeigte Heiterkeit, ob nun echt oder aufgesetzt, ist verschwunden. Der 57-Jährige wirkt angespannt. Fast scheint es, als sei er dankbar, dass Jutta Lashöfer, die Vorsitzende Richterin, die Fotografen nach kurzer Zeit anweist, zum Ende zu kommen. Früher hatte er für ein gutes Bild auch schon mal unter einem Weihnachtsbaum posiert

Lange vorbei. Arcandor meldete vier Monate nach Middelhoffs Demission im Juni 2009 Insolvenz an. Und die Aufarbeitung seiner Zeit als Firmenchef hat gerade erst begonnen. Die Verhandlung in Essen ist nur die Ouvertüre zu dem, was möglicherweise noch folgen wird. Schließlich sind mehrere Staatsanwaltschaften mit der Hinterlassenschaft des früheren Arcandor-Lenkers beschäftigt. Es geht um den Verdacht der Untreue, es gab eine Razzia in Middelhoffs Büro und seiner Villa in Bielefeld.

Dagegen wirkt die Sache vor der vierten Zivilkammer des Landgerichts wie eine Kleinigkeit. Im Kern geht es darum, ob Middelhoff in einem Interview mit dem Tagesspiegel im September 2008, als der Konzern dem Abgrund bereits bedrohlich nahe war, bewusst falsche Aussagen gemacht hat, um den Aktienkurs zu beeinflussen. Da hatte der Manager abgestritten, dass eine - kurz darauf doch gestartete - Kapitalerhöhung geplant sei. Jan-Eric Peters, Chefredakteur der Zeitungsgruppe Die Welt im Axel Springer Verlag und nach eigenem Bekunden ein erfahrener Aktienanleger, sah in diesen Äußerungen ein Signal dafür, dass Arcandor tatsächlich aus eigener Kraft die Wende zum Besseren schaffen könnte, und investierte.

Er kaufte 70.000 Aktien für mehr als 220.000 Euro. Er sei davon überzeugt gewesen, dass Middelhoff die Wahrheit sage und der Kurs bald anziehe. 50.000 Euro hat er bei dem Geschäft verloren.

Ums Geld geht es nur in zweiter Linie

In dem Verfahren macht er aber nur einen Teilbetrag von 5000 Euro geltend. Um das Geld, sagt Peters, gehe es ihm nur in zweiter Linie. Viel wichtiger sei ihm Gerechtigkeit. Sicher sei er nicht der Einzige, der im Vertrauen auf die optimistischen Aussagen Arcandor-Aktien erworben und Geld verloren habe.

Der Beklagte lauscht all dem mit ausdrucksloser Miene, schüttelt gelegentlich den Kopf. Aber dann kommt doch der Moment, wo wieder ein Lächeln über sein Gesicht huscht. Es ist der Moment, in dem sein Anwalt Jasper Hagenberg einen Brief von Peters an Arcandor aus den Akten zieht. Darin schildert der Journalist seinen Fall.

Pikant daran ist, dass Peters dieses Schreiben auf Briefpapier der Axel Springer Akademie verfasste. "Um der Forderung Druck zu verleihen", wie Middelhoffs Anwalt vermutet. Peters kann darin kein Fehlverhalten erkennen. Es sei sein Interesse gewesen, die Sache "außergerichtlich und ohne öffentliche Wirkung" zu klären. Aber als der Konzern auf sein Schreiben nicht reagiert hätte, habe er die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben. In etwa drei Wochen will die Kammer ein Urteil sprechen.

© SZ vom 07.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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