Arcandor in Not:Staatshilfe? Von wegen!

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Wenn der Bund nicht hilft: Arcandor wird wohl nicht mit Staatshilfe rechnen können - dafür nimmt Wirtschaftsminister Guttenberg Konzernchef Eick in die Pflicht.

Dem Handels- und Touristikkonzern Arcandor rennt die Zeit davon. Schon am 12. Juni könnte dem Unternehmen das Geld ausgehen. Der Konzern hat bereits den deutschen Staat angefleht - das Unternehmen pocht auf Staatshilfe. Doch nun gibt es einen Dämpfer aus Brüssel: Nach Einschätzung der EU-Kommission kann das angeschlagene Unternehmen nicht auf die beantragte Staatshilfe hoffen.

Nur eine staatliche Bürgschaft kann dem Konzern helfen, sagt Arcandor. Doch die Politik ist gespalten. (Foto: Foto: AP)

"Auf Basis der vorläufigen Informationen, die wir haben, hatte Arcandor scheinbar Schwierigkeiten vor dem 1. Juli und könnte deshalb Beihilfe unter dem vorübergehenden Beihilferahmen nicht in Anspruch nehmen", sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes.

Nach dem Votum aus Brüssel sieht Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kaum Chancen auf Staatshilfen für Arcandor. Vor einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses in Berlin sagte er, die EU-Kommission habe eine "sehr klare Ansage" gemacht, dass der Kaufhauskonzern bereits zum 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen sei. Damit sei ein ganz wichtiges Kriterium für Arcandor entfallen, Hilfen aus dem Deutschlandfonds nutzen zu können.

Die Einwände der EU-Kommission seien "überaus gewichtig". Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, erläuterte der Wirtschaftsminister.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) widersprach Guttenberg nur wenige Minuten später in dieser Einschätzung. "Belassen wir es erstmal bei einem objektiven und vorurteilsfreien Prüfungsverfahren", sagte Steinbrück. Und: "Jede öffentliche Vorabfestlegung halte ich für falsch." Die Instrumente, die geschaffen worden seien, sollten nun auch angewendet werden. Es müsse geprüft werden, ob Arcandor schon vor Juli 2008 in Schwierigkeiten gewesen sei.

Schön weiter prüfen

Es müsse das Für und das Wider geprüft werden, sagte Steinbrück. Was am Ende bei dieser Prüfung herauskomme, wisse man nicht. Aber: Der Fall Arcandor unterscheide sich von dem des angeschlagenen Autoherstellers Opel. Bei Arcandor seien die Eigentümer in der Pflicht. "Wir haben erkennbar keine anderen Investoren, die einsteigen." Opel habe zudem Sicherheiten und Kreditgeber. "Im Fall von Arcandor haben wir die drei Dinge in dieser konkreten Form nicht", sagte Steinbrück weiter.

Guttenberg sagte, er habe Konzernchef Karl-Gerhard Eick darauf hingewiesen, dass er andere Wege suchen müsse, um die Arbeitsplätze zu retten. In Frage käme etwa eine Rettungsbeihilfe, die aber von der EU genehmigt werden müsse und sehr strenge Kriterien beinhalte, unter anderem eine 30-prozentige Kapazitätsanpassung und Restrukturierungsmaßnahmen.

Massiven Druck bekommt der angezählte Konzern derzeit auch von den Banken. Wenige Tage vor dem Auslaufen eines lebenswichtigen Kredits schießen die kleineren der kreditgebenden Konsortialbanken quer.

Die Institute hätten klar gemacht, dass sie nicht bereit seien, den auslaufenden Kredit über insgesamt 650 Millionen Euro zu verlängern oder neue Darlehen zu gewähren, erfuhr die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Auf die betroffenen Banken entfalle ein Rahmen von rund 100 Millionen Euro. Ein Arcandor-Sprecher sagte auf Anfrage: "Wir sind mit den kleineren Banken weiter im Gespräch."

Schickedanz soll zahlen

Der Arcandor-Kredit läuft Mitte Juni aus. Derzeit bemüht sich der Konzern um Staatsbürgschaften in Höhe des Darlehens und will zudem von den Eigentümern, Vermietern und Lieferanten Zugeständnisse. Allein für dieses Jahr braucht Arcandor 960 Millionen Euro. Soll die Sanierung des Konzerns gelingen, werden in den kommenden fünf Jahren weitere 900 Millionen Euro fällig. Den Kreisen zufolge glaubten einige der Gläubigerbanken nicht daran, dass die Arcandor-Insolvenz noch abzuwenden ist und versuchten nun für sich noch zu retten, was zu retten sei.

Auch in der Politik laufen die Meinungen auseinander darüber, ob Arcandor Staatshilfe bekommen soll oder nicht. Arcandor wirbt unermüdlich damit, dass der Konzern die Kriterien für Staatshilfe erfülle und das Überleben des Konzerns von volkswirtschaftlicher Bedeutung sei. Im Insolvenzfall sind laut Arcandor über 50.000 Arbeitsplätze bedroht. Am Mittwoch tagt noch einmal der Bürgschaftsausschuss.

Auch der Deutsche Städtetag schlägt bereits Alarm. Die Befürchtung: ein bundesweites Kaufhaus-Sterben. "Warenhäuser sind wichtige Magneten in den Städten, die zu lebendigen Zentren beitragen und auch positive Effekte für den übrigen Einzelhandel auslösen", sagte Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Städtetages, der Passauer Neuen Presse. "Wenn jetzt alle Hertie-Filialen geschlossen werden sollen und möglicherweise auch noch zahlreiche Karstadt-Warenhäuser vor dem Aus stehen, müssen wir eine Verödung der Innenstädte befürchten."

© sueddeutsche.de/AFP/dpa-AFX/AP/dpa/tob/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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