Arbeitskräftemangel:Immer mehr Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt

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Zum Beispiel in Kindertagesstätten ist der Bedarf nach neuen Azubis groß. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Mehr als 73 000 Azubi-Stellen konnten 2023 nicht besetzt werden. Auf der anderen Seite gehen viele motivierte Bewerber leer aus. Das Grundproblem: Häufig passen Angebot und Nachfrage nicht zusammen.

Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen ist in Deutschland das vierte Jahr in Folge gestiegen. Laut dem aktuellen Berufsbildungsbericht der Bundesregierung blieben im vergangenen Jahr insgesamt 73 400 Plätze für Azubis unbesetzt - und damit noch einmal 6,6 Prozent mehr als 2022.

Noch deutlicher ist die Lücke im Vergleich zu Zeiten vor der Corona-Pandemie: Die Zahl unbesetzter Stellen stieg seit 2019 um 38,2 Prozent, wie aus dem Bericht, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat, weiter hervorgeht. Auch gab es im vergangenen Jahr 26 400 Bewerberinnen und Bewerber, die gerne eine Ausbildung angetreten hätten, aber unversorgt blieben. Das waren 16,3 Prozent mehr als noch im Vorjahr 2022 und 7,6 Prozent mehr als 2019. 37 300 junge Menschen gingen 2023 einer alternativen Beschäftigung nach, wie etwa einem weiteren Schulbesuch oder einem Job, weil sie keinen geeigneten Ausbildungsplatz fanden.

Verbände äußerten sich besorgt über die Entwicklung. Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks gab es allein im Handwerk im vergangenen Jahr 20 500 offene Stellen. "Wir haben ein Passungsproblem zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und auch angebotenen Stellen im Markt", bilanzierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Die Zahl junger Erwachsener zwischen 20 und 34 Jahren, die keinen Berufsabschluss hätten, sei 2023 weiter gestiegen auf 2,86 Millionen. "Diese Entwicklung macht mir Sorgen."

Ein Aspekt, den Stark-Watzinger als positiv hervorhob, ist dagegen die Zahl der neu geschlossenen Ausbildungsverträge, die das dritte Jahr in Folge gestiegen sei. Im vergangenen Jahr gab es hier einen Zuwachs um drei Prozent auf insgesamt 489 200 Neuabschlüsse. Laut Bericht gab es hier über nahezu alle Branchen hinweg einen Anstieg. An das Vorpandemie-Niveau kann die Entwicklung aber nicht anknüpfen: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 6,8 Prozent weniger Neuverträge geschlossen als noch 2019.

Was die Lage noch weiter verschärft: Viele begonnene Ausbildungsverträge werden vorzeitig aufgelöst. Im Jahr 2022, für das die aktuellsten Zahlen vorliegen, betraf das 29,5 Prozent aller Verträge. Immerhin haben sich dem Bericht zufolge die Übernahmequoten etwas besser entwickelt und lagen im Jahr 2022 mit 77 Prozent wieder auf dem Vorpandemie-Niveau. Zahlen für 2023 liegen für diesen Bereich ebenfalls noch nicht vor.

Stark-Watzinger betonte, es sei ein zentrales Ziel der Bundesregierung, mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen. Die Bundesregierung wolle beispielsweise mit einer gesetzlichen Änderung dafür sorgen, dass die Kompetenzen und Erfahrungen von Menschen ohne formalen Berufsabschluss besser für das berufliche Leben anerkannt werden. Ab 2025 sollen die Änderungen in Kraft treten. Die berufliche Bildung werde für ihr Ministerium weiterhin Priorität haben, versprach Stark-Watzinger. Das gelte auch für die laufenden Haushaltsverhandlungen. Hier seien keine Kürzungen zu befürchten. Mit Blick auf die vielen unbesetzten Ausbildungsstellen verwies Stark-Watzinger darauf, dass die Lage je nach Region und Beruf unterschiedlich sei.

Große Unterschiede zwischen Branchen und Regionen

Wie aus dem Bericht hervorgeht, haben es unter anderem Unternehmen im Lebensmittelhandwerk, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in den Bau- und Metallberufen besonders schwer, Azubi-Stellen zu besetzen. Hier haben Bewerber umgekehrt besonders gute Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Geringere Chancen hätten Interessenten dagegen etwa in der Immobilienwirtschaft, in der Software-Entwicklung, im Gartenbau sowie in künstlerisch-kreativen Berufen. Auch die regionalen Unterschiede machen sich bemerkbar: Azubi-Anwärter in Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen haben es schwerer als in anderen Regionen, einen Platz zu finden. Rechnerisch die besten Chancen haben Bewerberinnen und Bewerber in Bayern und Thüringen, gefolgt von Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Stark-Watzinger betonte, dass es generell mehr Aufklärung brauche. Es fehle teils das Wissen um berufliche Möglichkeiten. Ausbildungsberater seien häufig nur die eigenen Eltern. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht hier ein Defizit. Die Gymnasien müssten verbindlich über die Chancen einer dualen Ausbildung und über die höhere Berufsbildung informieren, forderte DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Nur so könnten junge Menschen eine fundierte Berufswahl treffen. Dercks wies darauf hin, dass viele Betriebe bereit seien, auch schwächeren Bewerbern eine Chance zu geben. Auch hier müsse es mehr Aufklärung geben, beispielsweise über Qualifizierungs-und Mentoringprogramme.

Der Verband deutscher Maschinen-und Anlagenbau e.V. (VDMA) übte deutliche Kritik an der Bundesregierung. "Der klare politische Wille, die Berufsausbildung wieder zu stärken und deren Wert zu vermitteln, fehlt", schrieb Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann in einer Stellungnahme. Noch immer komme die Berufsorientierung an den Schulen zu kurz, obwohl nach der Corona-Pandemie hier viel nachzuholen sei. Über den Berufsbildungsbericht und seine Auswirkungen berät in der kommenden Woche auch der Deutsche Bundestag.

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