Anlagestrategien:Sieben Todsünden der Geldanlage

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Anlageverhalten folgt festen Instinkten: Händler in Frankfurt (Symbolbild) (Foto: REUTERS)

Sie jagen kurzfristige Renditen, haben zu viel Selbstvertrauen oder laufen der Herde hinterher. Anleger machen viele Fehler. Sieben Fehler, die jeder vermeiden sollte.

Von Kirsten Grind, Wall Street Journal Deutschland

Völlerei:Trotz der Rezession, die vielen Investoren Verluste bei allen Anlageklassen von Immobilien bis Aktien beschert hat - das Anlegerverhalten hat sich dank fest verdrahteter Instinkte wenig verändert, sagen Psychologen und Finanzberater. Anleger machen noch immer dieselbe Art von Fehlern, die sie seit Jahrzehnten in Schwierigkeiten bringen. Sie werden von den heißesten neuen Trends verlockt, sie wollen der Herde folgen - und sie scheinen den Details regelmäßig nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken - wie beispielsweise den hohen jährlichen Gebühren, die viele Anlegerfonds verlangen.

"Wenn es um Geld geht, handeln wir als wären wir im Dschungel und hätten es mit einem Tiger zu tun", sagt Brad Klontz, klinischer Psychologe und Privatdozent für Finanzplanung an der Kansas State University. "Wir haben das Gehirn eines Höhlenmenschen."

Es gibt aber Wege, Fallgruben zu vermeiden. Anleger benötigen einen langfristigen und einen schnellen Plan ihrer Investment-Ziele, sie benötigen einen vertrauenswürdigen Berater oder ein Familienmitglied als Entscheidungshilfe und sie müssen aufhören, der Art von kurzfristigen Ereignissen so viel Aufmerksamkeit zu schenken, die die Medien bestimmen. Im Folgenden die sieben Investment-Todsünden - ohne bestimmte Reihenfolge - und wie Sie sich dagegen schützen.

Wollust: Die Jagd nach der kurzfristigen Rendite

Der Glaube von Anlegern, dass die kurzfristige Performance die künftige Performance bestimmen wird - in der Psychologie ist dieses Phänomen als "recency bias" bekannt - ist laut Experten eine der größten Fallgruben für Anleger. "Die Leute tendieren dazu, etwas zu kaufen, dass sich kürzlich gut entwickelt hat", sagt Terrance Odean, Professor für Finanzwirtschaft an der Haas School of Business an der University of California in Berkeley. "Sie jagen der Performance hinterher."

Vor der Finanzkrise haben sich Investoren kopfüber auf Immobilien-Investments gestürzt - überzeugt davon, dass die steigenden Häuserpreise niemals fallen werden. Das jüngste Beispiel: Gold. Das Edelmetall befand sich bereits vor der Finanzkrise auf der Siegerstraße und die Anleger sind reihenweise eingestiegen. Ein wichtiger Faktor dabei war die starke Präsenz von Gold in allen Medien - Werbung, Finanzpublikationen, TV-Sendungen und Büchern. Laut Mark Berg, Präsident von Financial Counsel, einer nur auf Gebühren basierenden Online-Finanzberatung, wollte eine ansonsten rationale Kundin ihr gesamtes Vermögen in Gold investieren, nachdem sie ein Buch gelesen hatte, das vor einem weiteren Crash an den Finanzmärkten warnte.

Um dieses Verhalten zu bekämpfen, raten Finanzberater dazu, dass Anleger sich historische Preise und die Performance von zuletzt beliebten Anlageklassen ansehen. Historische Charts zum Beispiel zeigen, dass jede Anlageklasse über längere Zeit steigt und fällt. Statt sich die Preisentwicklung über die vergangenen Monate oder Jahre anzusehen, sehen Sie sich längere Zeiträume an - mindestens 10 Jahre oder mehr. Gold stieg beispielsweise seit 2001 im Preis - aber über einen längeren Zeitraum gesehen, war die Entwicklung schlechter als bei Aktien und kann gerade einmal die Inflation ausgleichen.

Trotz des jahrelangen Goldrauschs erreichte das Edelmetall 2011 seinen höchsten Wert und wird nun 26 Prozent niedriger gehandelt als der Rekordwert. Häufig erzielen Anleger eine niedrigere Rendite als die Fonds, in die sie investieren - weil die meisten Investoren erst auf den Zug aufspringen, wenn die Performance des Fonds sich bereits überhitzt hat. Und sie verkaufen, sobald der Fonds im Wert fällt. Das Resultat: Der typische Fondsanleger verpasst die frühen Gewinne und trägt die späten Verluste - die Bilanz ist am Ende schlechter als die des Fonds, in den er investiert hat.

Die durchschnittliche jährliche Rendite eines Anlagefonds über die vergangenen 15 Jahre betrug in den USA 6,6 Prozent. Der durchschnittliche Fondsanleger konnte in dieser Zeit laut der Finanzmarktforschungsfirma Morningstar nur 4,6 Prozent durchschnittliche jährliche Rendite erzielen. Es ist sicher leichter gesagt als getan, doch Anleger sollten sich nicht von tagesaktueller Berichterstattung oder Werbung ablenken lassen, die die aktuell beliebten Investments anpreisen.

Hochmut: Der heute 54-jährige Eric Glohr hatte 1986 noch keine Erfahrung am Aktienmarkt - und wollte beim Börsengang von Microsoft in diesem Jahr Aktien zu je 21 US-Dollar kaufen. Berücksichtigt man alle Aktien-Splits bis heute, entspräche das laut FactSet einem Preis von weniger als 10 Cent pro Aktie, die heute bei über 33 Dollar steht. Am ersten Handelstag schoss die Aktie auf 27 Dollar nach oben - was noch immer einem Preis von weniger als 10 Cent pro Aktie nach den Splits entspricht.

Glohr entschied sich mit dem Einstieg zu warten, bis die Aktie wieder gefallen war. Er wartete Jahre - und die Aktie stieg weiter, bis ihm irgendwann bewusst wurde, dass die Aktie nie wieder so billig würde, wie er erwartet hatte. Der Höhepunkt lag laut FactSet bei 59,56 Dollar je Aktie am 27. Dezember 1999 - die Splits berücksichtigt. "Ich machte mir über mehrere Hundert Dollar Gedanken - und verlor deshalb fast eine Million Dollar", sagt Glohr.

Anleger - insbesondere solche, die keine Börsenerfahrung haben - unterliegen sehr häufig der Fehleinschätzung, dass sie viel mehr über ein bestimmtes Investment wissen, als es tatsächlich der Fall ist, sagen Psychologen und Finanzberater. "Wir haben eine viele zu hohe Meinung von uns selbst", sagt Finanzprofessor Odean. "Wir alle brauchen eine gesunde Portion Selbstzweifel und Bescheidenheit."

Die beste Methode, damit Anleger ihr übermäßiges Selbstvertrauen im Zaum halten: Eine neutrale dritte Partei, die alle Investmentideen überprüft. Das kann ein Finanzberater sein, ein vertrauenswürdiger enger Freund oder ein Verwandter, der von den Entscheidungen nicht direkt betroffen ist. Glohr sagt, er habe aus seinen frühen Fehlern gelernt. Statt nur auf seine Instinkte zu vertrauen, trat er einem Investment-Club bei und überprüft nun sorgfältig jedes Unternehmen, in das er investiert und diskutiert die Idee innerhalb der Gruppe.

Faulheit: Die Kosten übersehen

Anleger übersehen häufig die Details. Nehmen Sie als Beispiel ihre Bereitwilligkeit in teure Anlagefonds zu investieren, deren Performance nicht gut ist, sagt James Choi, Privatdozent für Finanzwirtschaft an der Yale School of Management. Anleger, die sich von dem Namen des Fondsmanagers oder der kurzfristigen Performance verleiten lassen, verpassen es, auf die Gesamtkostenquote des Fonds zu achten, bevor sie ihn kaufen.

Statt einen günstigen Indexfonds mit einer Gesamtkostenquote von rund 0,05 Prozent zu kaufen, der einen breiten Marktindex wie den S&P 500 nachahmt, entscheiden sich viele Anleger für einen von einem professionellen Fondsmanager verwalteten Fonds mit deutlich höheren Gebühren, sagt Choi. Die Renditeentwicklung teurerer Fonds ist in der Regel schlechter als die von günstigeren, sagt er - und zitiert eine Reihe von Studien. "Die Kosten sagen sehr viel mehr über die künftige Performance aus als die vergangene Performance, weil Zufall hier eine so große Rolle spielt", sagt er.

Neid: Was ist besser als ein guter Deal? Ein Deal, den nur Sie angeboten bekommen. Im Vorfeld des Facebook -Börsengangs im Mai 2012 wurden Finanzberater nach eigenen Angaben von Kunden-Anrufen überschüttet, die die Aktie noch vor dem Börsengang kaufen wollten. Die Tatsache, dass nur eine begrenzte Anzahl von Aktien für Privatanleger verfügbar war, heizte den Rausch nur noch an, sagen die Berater.

Laut Experten steht dahinter derselbe Grund, warum Anleger so gewillt waren, Bernard Madoffs Schneeballsystem zu glauben. Sie waren Teil einer kleinen Gruppe, die eine Menge Geld machte. Berichten zufolge akzeptierte Madoff nur eine begrenzte Anzahl an Kunden. "Es hat viel mit dieser Art von Exklusivität zu tun", sagt Meir Statman, Professor für Finanzwirtschaft an der Santa Clara University, der sich auf das Feld der Verhaltensökonomik spezialisiert hat.

Der Wunsch Teil eines exklusiven Angebots zu sein, treibt Leute häufig dazu, in eine Anlage zu investieren, die nicht zum Ziel des restlichen Portfolios passt - wider besseres Wissen. Anleger, die ihr Geld in Facebook investierten, mussten zusehen, wie die Aktie binnen Monaten vom Ausgabepreis von 38 Dollar auf 20 Dollar fiel. Heute wird die Aktie bei über 41 Dollar gehandelt.

Susan Strasbaugh ist Besitzerin der US-Finanzberatung Strasbaugh Financial Advisory, die ein Anlagevermögen von rund 100 Millionen Dollar verwaltet. Sie rät Kunden dazu, ein separates "Vegas"-Konto für heiße Investments wie Facebook einzurichten, die nicht ins sonstige Portfolio passen. Die Kunden sollen nicht mehr als 5 Prozent ihres Vermögens in dieses Vegas-Konto investieren und es wie ein Glücksspiel betrachten - daher der Name.

Zorn: Fehler nicht eingestehen

Menschen hassen es, Geld zu verlieren. Wie alle in ihrem Investing-Club kaufte auch die 54-jährige Lori Towers-Hoover 2007 Aktien des Wohnungsbauunternehmens Meritage Homes für rund 32 Dollar pro Aktie. Towers-Hoover und ihr Club hatten das Unternehmen genau studiert und glaubten an die starken Finanzdaten. Doch die Aktie befand sich bereits im Sinkflug - und 2009 wurde sie mit weniger als 10 Dollar pro Aktie gehandelt.

Towers-Hoover und ihr Club gaben die Hoffnung nicht auf. Sie warteten ein Jahr und die Aktie konnte sich auf einen Wert um die 20 Dollar erholen. Sie entschieden sich zum Verkauf. "Wir haben einfach die Entscheidung getroffen, dass sich die Aktie nicht mehr vollständig erholen wird und wir unser Geld nicht wiedersehen werden", sagt sie.

Verlustaversion, wie Psychologen die Neigung von Menschen nennen, sich vor allem darauf zu konzentrieren, Verluste zu vermeiden, ist überall sichtbar. Anleger hielten an Tech-Aktien während des Crashs der 2000er ebenso fest wie sie auch an Finanzaktien währen der Krise festhielten und bis heute halten. "Wir wollen uns selbst gegenüber nicht ehrlich sein und den Verlust eingestehen", sagt der Psychologe Klontz.

Diese Denkstruktur kann für Anleger gefährlich sein. Wenn sie eine Entscheidung bereuen, verkaufen sie meist schnell wieder. Doch wenn sie ihren Verlust nicht akzeptieren und den "versunkenen Kosten" eines Investments hinterhertrauern, könnten sie zu lange an ihrer Investition festhalten, sagen Psychologen.

Statt nur die Finanzdaten einer bestimmten Aktie zu studieren, müssen Anleger auch das ökonomische Umfeld so gut wie möglich verstehen, sagen Finanzberater und Experten. Ist ein Unternehmen vom Arbeitsmarkt oder der Erholung des Immobilienmarkts abhängig, um gute Ergebnisse zu liefern, müssen die Anleger die Aussichten für diese Sektoren gut kennen und ihre Anlagestrategie entsprechend ausrichten. Zu häufig basiert die Entscheidung für Kauf oder Verkauf einer Aktie komplett auf den Stärken eines Unternehmens.

Natürlich sind ökonomische Vorhersagen nicht immer korrekt. Towers-Hoover sagt, die Entscheidung ihres Clubs, die Aktie von Meritage zu verkaufen, basierte auf der Vorhersage, dass die Vereinigten Staaten sich bis 2016 nicht vollständig von der Krise 2008 erholen würden. Doch angetrieben von einer Erholung des Immobilienmarktes begann die Meritage-Aktien ab Mitte 2011 zuzulegen und wird aktuell um die 40 Dollar gehandelt. Die jüngste Rally der Aktie lehrte Tower-Hoover: Es ist unmöglich, den richtigen Zeitpunkt am Markt zu finden.

Völlerei: Seien wir doch ehrlich: Es gibt Millionen Dinge, die interessanter sind als die Entwicklung des eigenen Fonds zur Altersvorsorge zu beobachten - und Millionen Dinge, die einen dazu verleiten, das Geld heute schon auszugeben. Doch die Tendenz der Anleger zur Untätigkeit ist schädlich, insbesondere wenn es um die Altersvorsorge geht. 57 Prozent der US-Arbeitnehmer, die in diesem Jahr vom Benefit Research Institute befragt wurden, haben private Ersparnisse von insgesamt weniger als 25.000 Dollar pro Haushalt - wenn man das Haus und den Altersvorsorgeplan nicht mitzählt. Im Mangel an Vorsorge sehen Experten eine eigenständige Krise.

Häufig beginnen Arbeitnehmer nicht früh genug damit zu sparen, weil sie den Ruhestand als Ereignis in ferner Zukunft sehen, was zu Untätigkeit führt, sagen Finanzberater und Psychologen. Der Schlüssel für Anleger ist laut Klontz den Ruhestand weniger abstrakt zu machen. Sie sollten sich selbst eine Reihe von Fragen darüber stellen, welchen Lebensstil sie leben wollen, wenn sie in Ruhestand gehen: Wie alt werden sie sein? Wo werden sie leben? Was werden sie tun?

Klontz nutzt ein Maßband, um sein Argument zu unterstreichen. Er markiert das Alter eines Anlegers und dann das Alter bis zu dem er voraussichtlich lebt - basierend auf dem Todesalter anderer Familienmitglieder. Wenn er dann auf die Länge des Bands schaut, das beispielsweise nur noch 20 oder 30 Jahre lang ist, kann das einem auf drastische Weise bewusst machen, wie wenig Zeit noch übrig ist, um vorzusorgen. Häufig ermutigt dies laut Klontz denjenigen dazu, mehr in seine Altersvorsorge zu investieren oder weniger Geld auszugeben.

Gier: Der Herde hinterherlaufen

Als der Aktienmarkt im Zuge der Finanzkrise 2008 zusammenbrach, sind viele Anleger getürmt. Einige haben ihr gesamtes Portfolio aufgelöst und alles in Bargeld umgewandelt. Dasselbe Phänomen lässt sich derzeit auf dem Anleihenmarkt beobachten, wo die Anleger - aus Angst vor den Konsequenzen höherer Zinsen - aus den Anleihefonds fliehen. Anleger haben laut Morningstar seit Juli 11,7 Milliarden Dollar aus Fonds abgezogen - im Juni waren zuvor bereits 60 Milliarden Dollar abgeflossen. Wenn ein Investor Geld zurückzieht, ermutigt das andere ihm zu folgen.

Um die Angst zu bekämpfen, die unvermeidlicher Weise auf Verluste an den Märkten oder andere ungünstige Ereignisse folgt, sollten Anleger einen detaillierten langfristigen Portfolio-Plan haben, an den sie sich auch trotz aller kurzfristigen Ereignisse halten. Der Plan sollte auf den Zielen der Altersversorgung beruhen und eine Mischung aus Anleihen, Aktien und anderen Anlageklassen enthalten.

"Jetzt gerade sind Anleihen schlecht in den Augen von Investoren" sagt der Vermögensverwalter Chad Carlson von Balasa Dinverno Foltz - ein US-Unternehmen, das mehr als 2,6 Milliarden Dollar Vermögen verwaltet. "Unsere Kunden werden sagen: 'Ich will komplett aus Anleihen raus.'" Statt den "Alle oder nichts"-Ansatz zu ermutigen, empfiehlt Carlson, dass Anleger ihr Portfolio ein wenig anpassen. So sollte beispielsweise ein Kunde, der zuvor 40 Prozent seines Vermögens in Anleihen investierte, diesen Anteil um mehrere Prozentpunkte verkleinern. Dadurch bekämen die Anleger ein Gefühl größerer Sicherheit, das vorschnelle Entscheidungen verhindere, sagt er.

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