Frankreich:Aldi? Gleich um die Ecke

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Jeder Franzose soll den Discounter künftig in 15 Minuten erreichen können. Ziel ist die große Expansion im Nachbarland.

Von Michael Kläsgen, München

Aldi will in Frankreich stark wachsen. Der Discounter übernimmt in einem ersten Schritt 547 Märkte von Leader Price. (Foto: Durand Florence/dpa)

Es ist die größte Übernahme in der Geschichte von Aldi Nord, und es soll nicht die letzte gewesen sein. Der Discounter erwirbt nach langen Verhandlungen den französischen Discounter Leader Price und macht damit einen großen Schritt in Richtung Aufholjagd im Ausland. Die Casino Group verkauft der Vereinbarung zufolge insgesamt 547 Leader-Price-Geschäfte und drei Lager für 717 Millionen Euro an den deutschen Discounter aus Essen.

Aldi baut damit nach Jahren der Stagnation seine Marktposition in Frankreich auf einen Schlag aus. Das Nachbarland ist seit Jahrzehnten zwar der größte Auslandsmarkt von Aldi Nord, der Rivale Lidl hängte Aldi Nord gemessen an Umsatz und Marktanteilen aber ab. Das soll sich mit der Übernahme des Soft-Discounters Leader Price, der auch viele Filialen in Paris hat, ändern.

Mittelfristiges Ziel ist laut Aldi eine weitere Verdichtung und Optimierung des Filialnetzes, so dass Kundinnen und Kunden innerhalb einer Viertelstunde Wegzeit überall im Land einen Aldi-Markt erreichen können. Die Filialzahl soll sich demnach auf schätzungsweise gut 3000 in Frankreich erhöhen.

Bislang erzielte Aldi Nord in Frankreich mit knapp 900 Märkten einen Umsatz von rund 3,3 Milliarden Euro. Damit lag der Discounter weit hinter Lidl, der in Frankreich auf mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz kommt und 1530 Filialen betreibt. Lidl hat im Gegensatz zu Aldi in Frankreich sein Konzept stark an französische Bedürfnisse angepasst. Der Discounter aus Neckarsulm ist dort viel mehr als in Deutschland mit einem Supermarkt als mit einem Discounter zu vergleichen. Aldi tritt in Frankreich bislang weniger stark in Erscheinung.

Bisher gibt Lidl den Ton an, das soll sich ändern

Doch nach den Worten seines Chefs Torsten Hufnagel sieht Aldi Nord im Ausland allgemein, vor allem aber auch in Frankreich noch enormes Wachstumspotential. Über Jahre hat der Discounter die Potenziale nicht gehoben, sondern Lidl überlassen. Lediglich in Belgien und in den Niederlanden können die Essener einen höheren Marktanteil ausweisen als Lidl. Jetzt soll die Trendwende eingeläutet werden.

Aldi soll dank Leader Price seinen bislang eher überschaubaren Marktanteil in Frankreich von rund 2,5 Prozent auf einen Schlag auf mehr als 4,5 Prozent erhöhen. Der Zukauf hilft auch, das Standortnetz in den Metropolen zu verdichten. Aldi bekommt so teils Filialen in kaufkraftstarken Gebieten, in denen der Händler bislang kaum präsent war, zum Beispiel im Großraum Paris.

Die Leader-Price-Läden sollen voraussichtlich bis Anfang Oktober 2021 in Aldi-Märkte umgewandelt werden. Der Name Aldi wird damit stärker im Stadtbild sichtbar sein. Die Marke Leader Price bleibt dagegen im Besitz der Casino Group. An der französischen Holding hatte sich im vergangenen Jahr der tschechische Investor Daniel Křetínský beteiligt.

Die Verhandlungen zogen sich hin, weil Casinos Gläubigerbanken zustimmen mussten. Die Holdinggesellschaften des Branchenvierten Casino waren mit einer Nettoverschuldung von zuletzt fast drei Milliarden Euro belastet. Um eine dringend erforderliche Erneuerung seiner Kreditlinien mit den Gläubigerbanken in Höhe von zwei Milliarden Euro zu bekommen, musste Gründer Jean-Charles Naouri mehrere Vertriebstöchter von Casino, darunter auch Leader Price, als Sicherheit leisten.

Die Verzögerungen lag auch an den komplizierten Besitzverhältnissen von Leader Price. Viele der gut 725 Filialen werden unter Franchise betrieben. Deswegen erhält Aldi Nord nun etwa 20 Filialen weniger als ursprünglich beabsichtigt. Im Laufe der Zeit könnten aber weitere Franchise-Märkte an Aldi übergehen.

Trotz der Komplexität haben beide Seiten immer ein starkes Interesse an dem Deal gezeigt. Casino kann sich so weiter entschulden und Aldi expandieren. Der Discounter plant, das auch in anderen Ländern mit Nachdruck tun zu wollen.

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