Aktienmarkt:Böser Trick peitscht Twitter in die Höhe

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SZ-Grafik; Quelle: Reuters (Foto: SZ-Grafik)
  • Eine gefälschte Seite des Finanznachrichten-Dienstleister Bloomberg sorgt für Chaos beim Handel mit Twitter-Aktien.
  • Mit wenig Aufwand hat es offenbar jemand geschafft, den Markt auszutricksen und dabei viel Geld zu verdienen.

Von Jan Willmroth, München

Diesmal reichen zehn Minuten, um zu erahnen, wie anfällig weltweit vernetzte Kapitalmärkte und ständig verfügbare Nachrichten für Manipulationen sind. Elf Uhr fünfunddreißig New Yorker Zeit: Alles normal, die Aktien des Kurznachrichtendienstes Twitter notieren wenige Prozent im Plus. Elf Uhr sechsunddreißig: Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet, ein anonymer Käufer wolle Twitter für 31 Milliarden Dollar übernehmen. Elf Uhr siebenunddreißig: Jemand kauft etwa 12 000 Call-Optionen, mit denen er auf einen steigenden Aktienkurs wettet. Das Gerücht macht die Runde, auf einmal kaufen Marktteilnehmer Twitter-Aktien wie wild. Binnen weniger Minuten steigt der Kurs um bis zu acht Prozent.

Fünf Minuten später: Der Kommunikationschef von Bloomberg schreibt bei Twitter, die Geschichte sei erfunden. Die Aktie fällt wieder unter ihr Ausgangsniveau.

Es gab überhaupt kein Übernahmeangebot. Das Gerücht stand auf einer Webseite, die der von Bloomberg zum Verwechseln ähnlich sah, registriert erst am 10. Juli in Panama und zunächst nicht zurückzuverfolgen. Die amerikanische Börsenaufsicht untersucht den Fall, kommentiert ihn bislang aber nicht.

Rechtschreibfehler

Die Webseite war unter der erfundenen Adresse bloomberg.market registriert. Die Überschrift der Falschmeldung war für Bloomberg viel zu kurz und zu unkonkret. Der Name des ehemaligen Chefs Dick Costolo war falsch buchstabiert. Auf dem Bloomberg-Terminal, dem Bildschirm, auf dem alle Nachrichten der Agentur zuerst erscheinen, tauchte die Meldung nicht auf. Es gab also genügend Indizien, sie als falsch zu entlarven. Und doch: Mit wenig Aufwand hat es offenbar jemand geschafft, den Markt auszutricksen und dabei richtig viel Geld zu verdienen.

Zwei Interpretationen sind nun möglich, beide haben miteinander zu tun, und wahrscheinlich ist an beiden etwas dran: Erstens geht es heute an der Börse mehr denn je und in immer kürzeren Abständen darum, wer schneller ist, um den minimalen Vorsprung vor der Konkurrenz. Händler, die eine Meldung sehen, nehmen sich nicht mehr die Zeit, sie zu hinterfragen. Eine Überschrift reicht aus, und sie schlagen zu. Und dann ist da der automatisierte Handel, der zunehmend ohne Zutun von Menschen über Computerprogramme stattfindet: Wenige Worte reichen aus, um Algorithmen zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren zu bewegen. In diesem Fall reagierten die Computer vermutlich auf Menschen, die das Gerücht in relevanten Kanälen wie Twitter selbst verbreitet hatten.

"Eine berechtigte Sorge: Wenn Roboter unsinnig miteinander handeln, zerstören sie das menschliche Vertrauen in die Märkte", schreibt Bloomberg-Kolumnist Matt Levine, ein ehemaliger Investmentbanker. Man könne nicht ausschließen, dass sich jemand einen Spaß erlauben wollte. Am wahrscheinlichsten sei aber nun mal, dass sich da einer bereichern wollte. In jüngerer Vergangenheit gab es ähnliche Fälle: Falsche Pressemitteilungen beispielsweise, die sofort Aktienkurse steigen ließen.

Der Twitter-Vorfall zeigt also einmal mehr, wie leicht moderne Märkte auszutricksen sind. Eine gefälschte Webseite, eine offiziell aussehende Nachricht reichen, um Hunderte Millionen zu bewegen - wenigsten für ein paar Minuten. Matt Levine scheibt: "Jedes Mal, wenn ein Scherzkeks zeigt, wie fragil unsere Märkte sind, inspiriert er andere. Warum sollte es nicht mehr davon geben?"

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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