Airbus in der Krise:Hamburg bangt um die Produktion des A380

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Der Bund erwägt den Einstieg bei EADS, da die Fertigung des Riesenflugzeugs vom Standort Hamburg abgezogen werden könnte.

Ulrich Schäfer und Jens Flottau

Die Bundesregierung erwägt nach Angaben aus Regierungskreisen einen Einstieg beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Die Regierung befürchtet, dass das Unternehmen die Endmontage des neuen Riesenflugzeugs A380 ganz oder teilweise aus Hamburg abziehen könnte.

Sorgenkind: Airbus A 380. (Foto: Foto: AFP)

Die mögliche Produktionsverlagerung sei in der Regierung ein "großes Thema", sagte ein Regierungsvertreter der Süddeutschen Zeitung: "Das treibt die Spitzen der Koalition um." Ende der Woche beriet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) über eine mögliche Reaktion.

Auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) soll an den Gesprächen beteiligt gewesen sein. Zuvor hatte Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) sich schon mit Glos beraten. Der Hamburger Senat und die Bundesregierung befürchten offenbar, dass EADS das größte Passagierflugzeug der Welt, den A380, künftig ganz in Frankreich fertigen könnte - oder Teile der Produktion nach Russland, Indien oder China verlagert werden.

Sondierungsgespräche mit DaimlerChrysler

Die Bundesregierung erwägt zugleich, selbst bei EADS einzusteigen. Finanzstaatssekretär Thomas Mirow (SPD) sondiert dem Vernehmen nach, ob die Staatsbank KfW einen Teil des Aktienpakets von DaimlerChrysler übernehmen könnte. Das Unternehmen hält derzeit einen Anteil von 22,5 Prozent, möchte diesen aber reduzieren.

Mirow hat als Hamburgs Wirtschaftssenator einst dazu beigetragen, dass Airbus seine Flugzeugwerft an der Elbe ausbaut. Die Stadt Hamburg hat allein 750 Millionen Euro investiert, um die Produktion des A380 nach Finkenwerder zu holen.

Ein Sprecher des Finanzministeriums lehnte jeden Kommentar ab, ebenso das Bundeswirtschaftsministerium. Eine Sprecherin des Bundespresseamts erklärte, die Bundesregierung befürworte "auch künftig eine führende Rolle privater Investoren" bei dem europäischen Gemeinschaftsunternehmen; aktuell gebe es keinerlei Überlegungen der Bundesregierung zum Kauf von EADS-Aktien. Keiner der drei Sprecher lieferte jedoch ein hartes Dementi.

Der Aufsichtsrat von EADS beriet am vergangenen Freitag über mögliche Konsequenzen aus der A380-Krise. EADS hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Probleme bei der Entwicklung des Flugzeugs einräumen müssen.

Sparprogramm "Power 08"

Die Auslieferung der ersten Maschinen hat sich bereits um ein Jahr verzögert. Ende September gab der neue Airbus-Chef Christian Streiff dann eine weitere Verspätung bekannt. Wie lange, ist nicht bekannt. Gerüchte schwanken zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Der Aufsichtsrat wird in den nächsten Tagen, möglicherweise schon diesen Montag, erneut beraten. Er soll ein Sparprogramm namens "Power 08" und einen neuen Lieferplan für den A380 absegnen.

In den vergangenen drei Jahren hatte Airbus bereits das "Route 06"-Programm durchgezogen, bei dem die Kosten um jährlich 1,5 Milliarden Euro gesenkt werden sollten. Jetzt müsste sich das Unternehmen noch anspruchsvollere Ziele setzen, um die zusätzlichen Kosten auffangen zu können.

Regierungsvertreter sagten, es sei mit einer "heftigen Reaktion" aus Berlin zu rechnen, falls die Endfertigung des A380 ganz oder teilweise aus Hamburg abgezogen werde und Arbeitsplätze verloren gingen. Man bestehe auf einer "angemessenen Kompensation", also gegebenenfalls dem Bau anderer Airbus-Modelle.

Berliner Beobachtungen

In Berlin beobachtet man sehr genau, dass andere Länder ihren Einfluss bei EADS in den letzten Monaten ausgebaut haben. So hat die französische Staatsbank Caisse des Depots erst im Frühjahr 2,3 Prozent des Mischkonzerns Lagardère übernommen. Die CDC operiert auch in anderen Fällen als verlängerter Arm der Pariser Regierung, um französische Interessen in der Industriepolitik durchzusetzen.

Im Spätsommer erwarb auch Russland Anteile an EADS: Die Staatsbank Vnesthorgbank kaufte über die Börse fünf Prozent der Aktien auf. Die künftige Struktur von EADS war auch Thema beim Dreiergipfel, zu dem Frankreichs Staatschef Jacques Chirac den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kanzlerin Merkel am vergangenen Wochenende eingeladen hatte.

In der Berliner Regierung gibt es aber auch Stimmen gegen einen Einstieg bei EADS. Die Staatsbank KfW sei nicht dazu da, neue Industriebeteiligungen zu erwerben und auf Dauer zu halten, hieß es in einem Ministerium. Der Bund hat derzeit einen Teil seiner Post- und Telekom-Aktien bei der KfW geparkt. Die Bank soll später an der Börse verkauft werden.

© SZ vom 2.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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