Luftfahrt:Zurück auf die Startbahn

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Ein Airbus der Fluggesellschaft Eurowings startet vom Hamburg Airport. Im Hintergrund ist das Volksparkstadion zu sehen. (Foto: Daniel Reinhardt/picture alliance/dpa)

Der europäische Flugzeughersteller Airbus hat im Jahr 2020 mehr als ein Drittel weniger Maschinen ausgeliefert als im Vorjahr. Doch 2021 könnte es wieder aufwärtsgehen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als sich im März 2020 herauskristallisierte, wie gravierend sich die Corona-Pandemie auf die Luftfahrt auswirken würde, musste Guillaume Faury schnell entscheiden. Der Airbus-Chef ließ durch seine Mitarbeiter analysieren, wie sehr die Produktion zurückgefahren werden kann, damit die Lieferanten nicht reihenweise pleitegehen, und wie sehr sie zurückgefahren werden muss, damit die Fluggesellschaften sich den Rest an Auslieferungen noch irgendwie leisten können. Faurys Leute kamen zurück mit einer Zahl: 40 Prozent.

Um 40 Prozent also hat Airbus seit April die Produktionsrate seiner verschiedenen Flugzeugmodelle reduziert. Angesichts der Tatsache, dass die Airlines derzeit eigentlich am liebsten überhaupt keine neuen Maschinen übernehmen würden, hielten viele Analysten auch die gekürzte Produktion noch für zu groß und rechneten mit weiteren Einschnitten. Doch als Faury jetzt, fast neun Monate später die Auslieferungen für das Jahr 2020 präsentierte, konnte er sich zumindest kurzfristig bestätigt fühlen. Die Rechnung ist bislang aufgegangen und für das zweite Halbjahr 2021 stellt er deswegen auch schon wieder Wachstum in Aussicht. "Die Produktionsraten haben sich im Lauf der Zeit als angemessen herausgestellt", so Faury.

566 Maschinen hat Airbus im vergangenen Jahr ausgeliefert, 34 Prozent weniger als 2019, aber ziemlich genau im Plan vom vergangenen April. Den größten Teil der Produktion machten mit 446 Flugzeugen die Jets der Kurz- und Mittelstreckenfamilie A320 neo aus, hinzu kamen 38 kleinere A220 (ehemals Bombardier C Series). Bei den Langstreckenjets vom Typ A330, A350 und A380 gab es indes Einbrüche von 50 Prozent und mehr. In den ersten Monaten baute Airbus mehr Flugzeuge als ausgeliefert werden konnten, aber gegen Jahresende hat der Hersteller massiv aufholen können. Im Dezember nahmen die Kunden 89 Jets ab, monatlich sind im Durchschnitt etwa 50 geplant.

"Ich bin relativ zufrieden, aber die Industrie ist noch nicht aus dem Gröbsten raus."

Verkaufschef Christian Scherer hatte zwei Ziele: die Zahl der ausgelieferten Maschinen so schnell wie möglich an die Menge der produzierten heranzuführen, dies gelang im dritten Quartal 2020. Darüber hinaus wollte er massenhafte Stornierungen verhindern, die angesichts des Ausmaßes der Krise durchaus vorstellbar gewesen wären - Konkurrent Boeing hat 2020 fast 1000 Aufträge für die Boeing 737 Max verloren. Allerdings können Fluggesellschaften, die bindende Verträge unterschrieben haben, nicht so einfach aus diesen aussteigen, solange Airbus sich nicht massive Fehler, wie verspätete Liefertermine, hat zuschulden kommen lassen. Es war also in der Regel Verhandlungssache. Und so musste Airbus zwar einwilligen, die Liefertermine von buchstäblich Hunderten Maschinen teilweise um viele Jahre zu verschieben, storniert wurden 2020 aber insgesamt nur Aufträge für 115 Flugzeuge. Damit kann das Unternehmen gut leben. "Ich bin relativ zufrieden, aber die Industrie ist noch nicht aus dem Gröbsten raus", so Scherer.

Trotz allem bestellten die Airlines 383 Maschinen, aber "große Aufträge waren absolut nicht das Ziel", so Scherer. Der Verkaufschef geht auch davon aus, dass die Nachfrage noch längere Zeit schwach bleibt und erst zurückkehrt, nachdem der Verkehr wieder einigermaßen auf normales Niveau zurückgekehrt ist. Für die Zeit der Erholung setzt Airbus vor allem auf die A321 XLR - eine auf Langstreckentauglichkeit verbesserte Version der A321 neo (je nach Auslegung 180 bis 240 Sitze). Airbus hofft, dass Airlines die vergleichsweise kleine und günstige Maschine auf Langstrecken über den Nordatlantik einsetzen und Strecken wieder öffnen werden, auch wenn die Nachfrage noch weit unter dem Niveau von 2019 liegt. "Die A321 XLR ist dafür ideal", findet Scherer. Aufträge für 37 der Maschinen konnte Airbus 2020 sammeln.

Trotz all der Verschiebungen hat Airbus für 2021 offenbar praktisch keine freien Lieferpositionen mehr - es gibt Kunden wie die indische Billigfluggesellschaft IndiGo, die immer noch reihenweise Maschinen übernehmen wollen, andere haben sich mit Airbus auf Kompromisse einigen müssen. Faury ist "vorsichtig optimistisch" und sieht mittlerweile wieder eine Basis dafür, über höhere Produktionsraten nachzudenken, allerdings nur bei den Kurz- und Mittelstreckenjets. 40 Maschinen der A320-Reihe baut Airbus derzeit monatlich, vor der großen Krise waren es einmal mehr als 60, und da will Faury auch so schnell wie möglich wieder hin, immerhin liegt der Auftragsbestand immer noch bei über 7100 Flugzeugen. Im zweiten Halbjahr könnte das Unternehmen also in einem ersten Schritt die Rate um ein paar Jets pro Monat erhöhen, dann noch einmal im Jahr 2022 und 2023. Auf das alte Niveau wird Airbus nach eigener Einschätzung zwischen 2023 und 2025 kommen.

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