Agrarpolitik:Zoff am Hof

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Hühner in Freilandhaltung: Wenige Themen haben die Gesellschaft in jüngerer Zeit so polarisiert wie Wohl und Wehe der Landwirtschaft, der Widerstreit zwischen günstig und verantwortbar. (Foto: imago images/serienlicht)

Jedes Jahr schüttet die EU Milliarden an die Bauern aus. Wer wie viel bekommt, sollen künftig die Mitgliedsländer entscheiden. Damit das klappen kann, müssten sich Bund und Länder aber auf einen gemeinsamen Plan einigen. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Und der Wahlkampf naht.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Julia Klöckner hat keine Zeit zu verlieren, der Kalender ist eng. Für die letzte Juniwoche sind die letzten Sitzungen des Bundestags vermerkt. "Man glaubt kaum, wie die Zeit rast", sagt die Landwirtschaftsministerin von der CDU. "Effektiv haben wir noch fünf, fünfeinhalb Monate Zeit." Dafür ist ihr Unterfangen, vorsichtig gesagt, ambitioniert.

Bis zum Sommer nämlich soll der "nationale Strategieplan" für die deutsche Landwirtschaft stehen: eine Art Pflichtenheft für alle, die weiterhin etwas von Europas Agrarsubventionen abhaben wollen. Die EU-Staaten hatten sich im Oktober unter dem Vorsitz Klöckners auf diese Neuordnung der Agrarpolitik verständigt. Sie lässt den einzelnen Ländern mehr Freiheiten, nach welchen Kriterien die Beihilfen an die Landwirtschaft vergeben werden. Sie können damit stärker selbst bestimmen, welche Anteile etwa für ökologische Dienstleistungen der Landwirtschaft bereitstehen, an welche Bedingungen die Hilfen insgesamt geknüpft sind, oder ob sie kleinere Betriebe stärker fördern als große. Nur die Leitplanken sollte die EU künftig vorgeben, das allerdings in dutzenden Unterpunkten.

Für die Europäer war das eine bequeme Lösung. Viele Fragen, die auf europäischer Ebene verlässlich zu Streit geführt hätten, ließen sich so in die Einzelstaaten wegdelegieren. Doch nun bahnt sich Streit an, auch in Deutschland.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen ist auch Deutschland alles andere als homogen. Zu der Frage etwa, ob es künftig Kappungsgrenzen geben soll, durch die große Betriebe je Hektar weniger Subventionen bekommen als kleine, haben ostdeutsche Bundesländer eine ganz andere Meinung als süddeutsche: In Ostdeutschland sind die Betriebe im Durchschnitt wesentlich größer, schon historisch bedingt. Zum anderen gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie viel Naturschutz und wie viel Ernährungssicherheit künftig gefördert werden muss - mal abgesehen davon, dass das Bundesamt für Naturschutz die Einigung der Europäer für unzureichend hält, um dem Verlust biologischer Vielfalt "spürbar entgegenzuwirken". Und schließlich gibt es noch ein Thema, bei dem es mehr um Taktik geht als um Strategie: die nahende Bundestagswahl.

Wenige Themen haben in jüngerer Zeit so polarisiert wie Wohl und Wehe der Landwirtschaft, der Widerstreit zwischen günstig und verantwortbar, zwischen den Interessen vieler Verbraucher und denen von Tieren oder dem Zustand von Böden und Gewässern.

Klöckner drückt aufs Tempo, die Länder bremsen

Zunehmend belastet das Thema auch die Koalition. Umwelt- und Agrarministerium liegen beim Insektenschutz offen über Kreuz. Klöckners Ministerium habe sich "zu einer Blockade entschlossen", sagt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Und manche in der SPD halten die ganze Agrarreform für Murks: "Frau Klöckner fehlt ein konkretes Bild für die Landwirtschaft der Zukunft", sagt Fraktionsvize Matthias Miersch. Wie ihr Haus in der europäischen Agrarpolitik agiert, sei "ein Symbol der Planlosigkeit dieses Ministeriums". Der Wahlkampf naht.

Begräbt er am Ende auch den Strategieplan? Vergangene Woche wandte sich Klöckner an ihre Länderkollegen, sichtlich um Beschleunigung bemüht. Noch bis diesen Donnerstag sollten sie skizzieren, wie sie sich die nationale Strategie vorstellen, ausgehend von einigen Leitfragen, die die Ministerin übermittelte. Es gebe "enorm hohen Zeitdruck", warnte sie. Bis zum 31. Dezember müsse die EU-Kommission den deutschen Plan haben. Brüssel bliebe dann ein Jahr für dessen Prüfung.

Doch die Länder spielen nicht mit in Klöckners Zeitplan. "Wir stecken mitten in einem Prozess", sagt Wolfram Günther, der grüne Agrarminister Sachsens. "Wir tun gut daran, diese Fragen im föderalen System der Agrarminister zu besprechen." Günther fungiert derzeit als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz. Sie muss dem Strategieplan zustimmen, und zwar einstimmig. Anfang Februar gibt es eine Sondersitzung. Zwar hätten auch die Länder Interesse an Klarheit, sie müssen das Ganze schließlich am Ende administrieren. "Aber allen ist bewusst, dass wir keinen Plan vorzulegen brauchen, solange der Trilog in Brüssel noch nicht beendet ist." Doch diese Verhandlungen der EU-Institutionen ziehen sich. Und dann gebe es ja auch noch die Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft, eingesetzt von der Kanzlerin höchstselbst. "Deren Arbeit würde ja im Grunde obsolet, wenn man jetzt schon etwas entscheidet", sagt Günther. Ihre Ergebnisse will die Kommission im Frühsommer vorlegen. Im Juni vielleicht.

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