Agrarpolitik:Blühende Landschaften

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Nicht nur die Fläche soll künftig zählen, wenn der Staat Geld an Landwirte überweist, sondern auch der Klima-, Arten- und Bodenschutz. Was das genau heißt, ist umstritten. (Foto: Hennig Kaiser/AFP)

Wofür sollen Bauern künftig Geld bekommen? Umweltministerin Svenja Schulze hätte da klare Vorstellungen. Doch am Landwirtschaftsministerium prallen sie ab.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Zumindest bei den Agroforsten sind sich am Mittwoch alle einig, aber so was von einig. Diese Äcker, durchzogen von Bäumen und Hecken, gelten als besonders nachhaltige Form der Landwirtschaft. Sie beugen Erosion vor, schützen vor Dürren, schaffen Räume für Tiere. Weshalb am Mittwochabend im Bundestag alle Fraktionen bis auf die FDP mit Anträgen zur Förderung von Agroforsten aufwarten, von ganz links bis ganz rechts. "Die Produktion von gesunden Nahrungsmittel hat weiterhin erste Priorität - dennoch wissen wir, dass die Landwirtschaft ökologischer werden muss", sagt der CDU-Abgeordnete Alois Gerig, der Chef des Agrarausschusses. Deshalb gehörten sie in den "Werkzeugkasten der Ökologisierung". Wenn das bloß mit allen Werkzeugen so einfach wäre.

Lange bevor sich der Bundestag am Mittwoch mit Bäumen auf Äckern beschäftigt, präsentiert Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) quasi eine ganze Scheune voller Werkzeuge. Auf 21 Seiten legt sie ihren Vorschlag für eine "grüne Architektur" der Agrarbeihilfen vor, verbunden mit einer Breitseite an ihre Agrarkollegin Julia Klöckner (CDU). "Aus dem Landwirtschaftsministerium kennen wir eine Reihe von Fragen, sonst nichts", sagt Schulze. "Und diese Lücke wollen wir schließen."

Es geht um die künftige Gestalt der europäischen Agrarsubventionen. Stärker als bisher soll die in den Händen der einzelnen Mitgliedstaaten liegen, und auch Deutschland muss dafür einen "nationalen Strategieplan" vorlegen. Er soll sicherstellen, dass mehr Mittel in ökologische Leistungen der Landwirte fließen, in Klima-, Arten- und Bodenschutz. Was konkret das bedeutet, und an welche Bedingungen hierzulande die Auszahlung von Beihilfen geknüpft werden, das müssen Bund und Länder noch ausmachen - und das möglichst noch vor der Bundestagswahl.

Das Umweltministerium hat hier ziemlich klare Vorstellungen, aber sie machen eine schnelle Entscheidung nicht wahrscheinlich. "Wir brauchen Maßnahmen, die wirklich wirken", sagt Schulze. "Und nicht Geld, das wir grün anstreichen." So sollen die Direktzahlungen für die Landwirte, die sich bisher größtenteils an der Fläche der Betriebe orientieren, zu 30 Prozent und mehr in sogenannte "eco schemes" fließen - konkrete Leistungen für die Umwelt. Höfe sollen aus diesem Topf zusätzliche Förderungen bekommen, wenn sie etwa Blühstreifen anlegen, wenn sie ihre Flächen kleinteiliger bewirtschaften, wenn sie Moore und Feuchtgebiete nicht mehr als Acker-, sondern als Weideland nutzen. Auch der besonders sparsame Umgang mit Pestiziden oder Düngemitteln ließe sich so entlohnen, oder besonders vielfältige Fruchtfolgen. Ganz grundsätzlich will Schulze alle Direktzahlungen zudem daran koppeln, dass mindestens fünf Prozent der Flächen "nicht-produktiv" genutzt werden - als Rückzugsorte etwa für Feldvögel und Insekten. Und dann müssten noch mindestens zehn Prozent der Direktzahlungen abgezweigt werden für einen anderen Topf, die "zweite Säule". Aus ihr werden, grob vereinfacht, Anreize für eine nachhaltigere Landwirtschaft und Entwicklung gezahlt.

"Nachhaltigkeit definiert sich nicht allein über die Ökologie."

Federführend in der Sache ist Klöckner, und die hat bislang tatsächlich Fragen formuliert - an die Länder. Von Schulzes Vorschlägen hält ihr Ministerium nicht viel. "Sie werden der Komplexität der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht gerecht", sagt eine Sprecherin. Denn die schließe auch soziale Belange und Fragen der Wettbewerbsfähigkeit ein. "Nachhaltigkeit definiert sich nicht allein über die Ökologie." Und der Bauernverband warnt vor einer "untragbaren Bürokratie und Kontrollast", sollte Schulzes Werkzeugset sich durchsetzen. Es bedeute "einen extremen nationalen Alleingang", schwant Generalsekretär Bernhard Krüsken.

Das Verhältnis zwischen den beiden Ministerinnen ist ohnehin angespannt, seit Wochen streiten sie erbittert über den Schutz von Insekten; Vorwürfe der Blockade durch Klöckner stehen im Raum. Auf einen nationalen Strategieplan dagegen müssten sie sich rasch einigen, bis zum Juni muss er den Bundestag passieren, und die Agrarminister der Länder reden ein entscheidendes Wort mit. Womöglich aber nicht nur die: Auch die Umweltminister der Länder verlangen Gehör. Es solle doch wohl "selbstverständlich sein", beschlossen sie jüngst per Umlauf, dass auch sie mitreden dürfen.

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