Adolf Merckle:Der blanke Milliardär

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Mit waghalsiger Finanzakrobatik hat der Patriarch Adolf Merckle sein Firmenimperium aufgebaut - und wieder verspielt.

Dagmar Deckstein

Die Schwaben neigen zu drastischen Ausdrücken, wenn sie echauffiert sind. Wenn man sich in diesen Tagen bei Unternehmern im Raum Ulm umhört, fliegen einem Sätze wie Giftpfeile um die Ohren. Adolf Merckle sei doch kein richtiger Unternehmer, sagt einer, sondern "ein geldgieriger Sack".

Giftpfeile in Ulm für Adolf Merckle (Foto: Foto: dpa)

Ein anderer meint, "der Kerle" sei doch nicht durch unternehmerischen Elan reich geworden, sondern durch Finanztricksereien. Habe versucht, möglichst viel Mark und Euro am Finanzamt vorbeizuschmuggeln, um dann in seiner heutigen großen Not die Hand aufzuhalten und den Staat um Überbrückungsdarlehen anzugehen. Eine "Granatensauerei" sei das, befindet der Ulmer Unternehmer. Währenddessen ging am Mittwoch in ebendieser Stadt das Ringen des Milliardärs Merckle mit den Banken weiter.

Es droht ihm das Ende seines weitverzweigten und kompliziert miteinander verschachtelten Firmenimperiums. Bis zu eine Milliarde Euro schuldet Merckle den etwa 30 Gläubigerbanken. Und die verlangen für ihre Kredite Sicherheiten aus dem Privatvermögen des Mannes, der mit geschätzten sieben Milliarden Euro zu den fünf reichsten Deutschen gezählt wird.

Die Banken hatten dem 74-Jährigen erstmal weiteres Geld verweigert und ihn mitsamt seinem Firmenimperium in die Bredouille gestürzt. Noch am Dienstag ließ Merckle aber über seinen Sohn Ludwig verkünden: "Wir sind weiterhin bereit, mit den Banken in diesen schwierigen Zeiten eine Lösung für diese Finanzsituation zu erarbeiten."

Als ob die Banken von der Großzügigkeit Merckles abhängig wären und nicht umgekehrt.

Nun hat Merckle einen Großteil seiner Firmenbeteiligungen an die Kreditinstitute verpfänden müssen, und es wird ein weiteres Stillhalteabkommen zwischen den Parteien geben.

Seid ehrlich, fleißig, bescheiden

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) dürfte sich jedenfalls dazu beglückwünschen, dass schon drei Jahre vergangen sind, seit er Merckle als "Vollblutunternehmer" gelobt hat, "dessen Erfolg auf immer wieder neuen Ideen, ungewöhnlichen Lösungsansätzen" beruhe und ihm dafür das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse umhängte.

Der Ruf ist erstmal angeschlagen, wegen seiner ungewöhnlichen Lösungsansätze steht Merckle jetzt mit dem Rücken an der Wand. Mit Aktien, die in der Finanzkrise massiv an Wert verloren, hatte er Bankkredite abgesichert, mit denen wiederum eine Kapitalerhöhung bei Heidelberg Cement finanziert wurde. Obendrein hatte Merckle auch öffentlich zugegeben, sich mit Finanzmarktwetten auf fallende VW-Aktienkurse verspekuliert und damit einen dreistelligen Millionenbetrag verzockt zu haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Raffgierig, nachtragend und missgünstig - was ehemalige Mitarbeiter über Adolf Merckle sagen.

Mit bieder-schwäbischem, bodenständigem Unternehmertum hat das alles nicht viel zu tun. Wiewohl Adolf Merckle und seine Frau Ruth, die aus der Ulmer Zementdynastie Schwenk stammt, gerne die Grundsätze christlicher Lebensführung hochhalten und Merckle von seinen angestellten Managern "Ehrlichkeit, Fleiß und Bescheidenheit" erwartet.

Er selbst aber hat schon eine ganze Reihe von ihnen zum Teil recht rüde vor die Tür gesetzt, und ein ehemaliger Geschäftsführer von Ratiopharm bezeichnet Merckle als "raffgierig, nachtragend und missgünstig".

Merckle hat einmal ganz klein angefangen. 1967 übernahm der heute 74-jährige Clanchef die väterliche Firma "Adolf Merckle, Drogen und Chemikalien en gros", die Großvater Adolf bereits 1881 im böhmischen Aussig gegründet hatte. Nach dem Krieg zogen die enteigneten Merckles nach Blaubeuren und bauten die Firma dort neu auf.

"Geld ist immer genug da"

Anfang der siebziger Jahre kam Merckle nach einem USA-Besuch auf die Idee, auch in Deutschland bis dato nicht bekannte Nachahmermedikamente herzustellen. Die in Ratiopharm umbenannte Firma war der unternehmerische Kern des heutigen, ziemlich undurchschaubaren Firmenkonglomerats, das sich Adolf Merckle im Wesentlichen durch Zukäufe und Beteiligungen zugelegt hat.

Zum Imperium des blanken Milliardärs gehören neben anderen auch der Pharmagroßhändler Phoenix, der Baustoffhersteller Heidelberg Cement, der Pistenbullyhersteller Kässbohrer und das Forstwirtschaftsunternehmen Blauwald, das mit 12.000 Hektar zu den größten privatbetriebenen Forstunternehmen in Deutschland zählt.

Zu 50 Prozent beteiligt ist Merckle an Zollern in Sigmaringen, einem Metallverarbeiter aus dem Hause Hohenzollern. Dazu hält Merckle die Mehrheit am zweitgrößten Schweizer Generika-Hersteller Mepha. Alles in allem gebietet der Rechtsanwalt und Patriarch über 100.000 Arbeitsplätze und 30 Milliarden Euro Umsatz.

Aber wohl nicht mehr allzu lange. Wenn es nicht überraschend Geld vom Himmel regnet, werden die Gläubigerbanken zumindest einige oder einige Anteile seiner Vorzeigefirmen Ratiopharm, Phoenix und Heidelberg-Cement verkaufen. Patriarchendämmerung. Endgültig vorbei die Zeiten, als Merckle seine Führungskräfte stets ermunterte, ihm vielversprechende Expansionspläne zu unterbreiten nach dem Motto "Geld ist immer genug da". Jetzt ist es weg, das Geld.

© SZ vom 04.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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