ADAC: Jahresbilanz:Volle Panne

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Extreme Wetterverhältnisse, veränderte Fahrgewohnheiten, viele Pannen - und der ADAC profitiert. In jeder Minute gewinnt der Automobilclub 2,3 neue Mitglieder. Die Hälfte der Jahresbeiträge erhalten die Club-Mitglieder über Hilfe-Leistungen indirekt wieder zurück.

Michael Kuntz

Die Fahrer der Straßenwacht des ADAC müssen sich um immer mehr Autos kümmern, die wegen technischer Probleme ihre Fahrt nicht fortsetzen können. Das berichtete der Verband am Donnerstag bei der Bilanzvorstellung in München. Der Grund dafür sind nicht nur extreme Wetterverhältnisse, sondern auch veränderte Fahrgewohnheiten. So unternehmen mehr Menschen statt Flugreisen ins Ausland kürzere Ausflüge zu Zielen im Inland oder in den Nachbarstaaten Deutschlands. Häufig entschließen sie sich kurzfristig zu solchen Touren, ohne vorher ihr Fahrzeug in einer Werkstatt durchchecken zu lassen. Ein weiterer Grund für die vermehrten Einsätze der 1623 Pannenhelfer des ADAC ist das Wetter. Dies zeigte sich sowohl im besonders kalten Winter wie auch bei den anhaltend hohen Temperaturen in diesem Sommer. Allein der harte Winter führte 2009 zu Mehrkosten von 19 Millionen Euro.

Erheblichen Informationsbedarf sieht der ADAC beim Elektroauto. "Irgendjemand muss über die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten aufklären, um die Erwartungshaltung der Menschen nicht zu enttäuschen", sagt ADAC-Vizepräsident Arnulf Lode. (Foto: dpa)

Pannenhilfe, Luftrettung und Notrufzentralen waren in dem Jahr mit 308,6 Millionen Euro der größte Block unter den Ausgaben. Fast die Hälfte seiner Mitgliedsbeiträge von 634,3 Millionen Euro gibt der Club in Form dieser direkten Hilfeleistungen an seine Mitglieder zurück. Voriges Jahr gab es 3,93 Millionen Einsätze der Straßenwacht, und in diesem Jahr werden es wohl mehr als vier Millionen - so viele wie nie zuvor.

Viele Pannen sind aber gut für den ADAC. Jedenfalls wächst die Zahl seiner Mitglieder Jahr für Jahr. Mitte Juni trat das 17-millionste Mitglied bei. Dabei handelte es sich um einen jungen katholischen Priester mit multikulturellem Hintergrund. "Mal was anderes als die deutsche Musterfamilie mit zwei Kindern", sagte ein ADAC-Manager. Derzeit treten im Schnitt pro Minute 2,3 Menschen dem ADAC bei. So soll es weitergehen: Der Club will im Jahr 2020 die Zwanzig-Millionen-Marke knacken.

46.000 Hubschrauber-Einsätze

Die vielen ADAC-Mitglieder dürfen indirekt den Sparkurs in der Gesundheitspolitik mitfinanzieren. Weil die Krankenhäuser sich immer mehr spezialisieren, werden nach einem Unfall die Transportwege für die Verletzten länger. Wo einst ein Rettungswagen reichte, wird heute häufiger ein Hubschrauber eingesetzt. "Nach wie vor ist die Erstattung durch die Krankenkassen zu gering, um den Betrieb kostendeckend gestalten zu können", sagte ADAC-Finanzchef Stefan Weßling.

Vier Millionen Euro musste der Club aus Beiträgen und Erträgen aus Finanzanlagen drauflegen beim Betrieb seiner 45 Hubschrauber. Die flogen 2009 von 33 Stationen aus zu 46000 Einsätzen. Der ADAC-Manager hält das für gut angelegtes Geld. Denn der Trend zu Schwerpunktkliniken wird den Hubschrauber noch wichtiger machen.

Erheblichen Informationsbedarf sieht der ADAC beim Elektroauto. "Irgendjemand muss über die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten aufklären, um die Erwartungshaltung der Menschen nicht zu enttäuschen", sagte ADAC-Vizepräsident Arnulf Lode und sieht genau hier die Rolle seiner Verbraucherorganisation, der 50 Prozent der motorisierten Haushalte in Deutschland angehören. Lode kritisierte die Bundesregierung, weil in deren Nationaler Plattform Elektromobilität der ADAC "nur eine Nebenrolle" spiele. "Das hat uns, ehrlich gesagt, schon überrascht." Bereits der Nutzfahrzeughersteller MAN hatte die Zusammensetzung der von Pkw- und Stromkonzernen dominierten Runde kritisiert.

Einer Umfrage des ADAC zufolge würden sich zwar 74 Prozent der Mitglieder ein Elektroauto kaufen. Die Mehrheit sei allerdings nicht bereit, wesentliche Abstriche zu machen, wenn es um Reichweite, Höchstgeschwindigkeit und Raumangebot gehe. Und: Wie umweltfreundlich ist Elektromobilität wirklich? "Da gibt es momentan noch zu wenig Wissen", sagt Club-Geschäftsführer Stefan Müller. Seine Straßenwachtfahrer schult der ADAC jedenfalls bereits jetzt für Pannen an Elektroautos.

© SZ vom 16.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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