Abschiebungen:Ökonomischer Irrsinn

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(Foto: N/A)

Flüchtlinge auszubilden kostet Firmen eine Menge Geld. Die Menschen jetzt abzuschieben, ist wirtschaftlich mehr als unklug. Stattdessen wäre Pragmatismus gefragt.

Von Lea Hampel

Gerade erst auf dem Kirchentag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel es gesagt: "Wir müssen in Jahren denken", befand sie in Sachen Flüchtlingsintegration. Ein unbequemer, aber wahrer Satz. Umso erstaunlicher, was derzeit in vielen Gemeinden passiert, wo Menschen aus Afghanistan oder Sierra Leone seit Monaten leben, arbeiten und oft Steuern zahlen: Es gibt Abschiebebescheide für Menschen in Ausbildung und Arbeit.

Seit dem Schicksals-September von 2015 wird darüber gestritten, unter welchen Umständen Menschen aufgenommen werden sollten. Mit Recht: Dahinter stehen Grundsatzfragen, die die Gesellschaft aushandeln muss. Doch während diese Debatte Jahre dauern wird, findet eine politische Praxis statt, die der viel beschworenen "Integration durch Arbeit" entgegenwirkt - und die schon aus wirtschaftlichen Überlegungen geändert werden muss. Teil der Debatte ist die Frage, ob jeder, der kommt, arbeiten soll. Theoretisch wäre es wünschenswert, rechtlich zwischen Asyl und Arbeitsmigration zu unterscheiden: Die Fragen "Wer braucht uns?" und "Wen brauchen wir?" werden im Idealfall separat behandelt.

Doch wie so oft klafft zwischen Theorie und Praxis eine Lücke. Ob man es will oder nicht, die Menschen sind hier, sie zu versorgen hat bereits viel Geld gekostet. Über Unterkunft und Versorgung hinaus hat es Integrations- und Sprachkurse gegeben, unzählige Ehrenamtliche waren tätig. Zahlreiche Unternehmen haben sich für Praktika, Ausbildungen und Arbeit mit ungelernten Kollegen geöffnet. Ein Beispiel: Ein Unternehmer, der einen Geflüchteten ausbildet, rechnet mit bis zu dreifachem Betreuungsaufwand. Hinter dem Engagement steckt mal der Bedarf an Arbeitskräften, mal der Wunsch, etwas beizutragen, oft beides. Und obwohl die Aufgabe schwieriger war, als es sich mancher vorgestellt hatte, haben viele Menschen Geld, Energie und Zeit investiert.

Umso unsinniger ist es nun, diese Energie auszubremsen. Gleich, wie man zur humanitären Frage steht, ist es unter ökonomischen Gesichtspunkten ineffizient - etwa so, als wolle man ein kaputtes Auto reparieren, hätte Ersatzteile gekauft und einen Termin beim Lackierer gemacht, um festzustellen, dass man aufs Fahrrad umsteigen möchte.

Die große Gefahr ist, dass sich Unternehmen nicht mehr engagieren

Stattdessen wäre Pragmatismus gefragt. Konkret: Nötig wäre es zum ersten, bürokratische Beschränkungen zu verringern. Ob jemand einen Sprachkurs machen oder aus einer Unterkunft ausziehen darf, sollte im Zweifel pro Arbeitnehmer und Unternehmer und schnell entschieden werden. Zweitens sollten Regeln konsequenter umgesetzt werden. Planungssicherheit ist einer der wichtigsten Faktoren für Firmen: Die 3+2-Regelung, die Menschen in Ausbildung fünf Jahre garantiert, sollte bundesweit ohne Einschränkungen angewandt werden. Drittens sollte bei der Entscheidung, ob jemand bleiben darf, nicht nur berücksichtigt werden, wo er herkommt. Sondern auch, wie sich jemand hier einbringt.

Wird all das nicht berücksichtigt, steigt die Zahl der enttäuschten Ehrenamtlichen und Sozialarbeiter. Und auch die Zahl der Geflüchteten, die zum Nichtstun verdammt sind, nimmt zu - bei steigenden Kosten. Die große Gefahr ist aber vor allem, dass Unternehmer sich künftig zurückhalten, wenn es um gesellschaftliche Aufgaben geht. Ja, das Einwanderungsrecht muss überarbeitet werden. Aber bis es so weit ist, sollte das sonst gern bemühte Primat wirtschaftlicher Effizienz gelten.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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