Abgase:Wut auf der Straße

Lesezeit: 3 min

Das fließt er dahin, der morgendliche Berufsverkehr in München, und stößt munter Emissionen aus. (Foto: Christof Stache/AFP)

Vor dem Diesel-Gipfel beklagen Städte Stillstand beim Kampf gegen schlechte Luft. Die Zeit läuft den Kommunen davon. Gerichtsurteile zwingen sie zum handeln.

Von Markus Balser und Max Hägler, Berlin/München

Die Hängepartie bei der Bildung einer neuen Regierung bringt in Berlin gerade so manchen Terminplan ins Wanken. Kanzlerin Angela Merkel sagt Treffen mit Regierungschefs und Konferenzen ab, zu viel Zeit kosten die Versuche, eine neue Regierung zu bilden. An dem Treffen nächste Woche allerdings will die Kanzlerin festhalten. Sie hat Minister, Ministerpräsidenten der Autoländer, und Bürgermeister für Dienstagvormittag zum nächsten Diesel-Gipfel ins Kanzleramt geladen. Es geht um viel. Um die Zukunft einer Branche und Städte, die um Mobilität und die Gesundheit ihrer Bürger bangen.

Schon im September hatte sich die hochrangige Runde getroffen - und das Kanzleramt enttäuscht verlassen. Zwar hatten Bund und Länder versprochen, den Städten insgesamt eine Milliarde Euro für Projekte gegen Luftverschmutzung zur Verfügung zu stellen. Doch Städte vermissen, dass den Worten auch Taten folgen. "Seit dem Gipfel ist viel zu wenig passiert", sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter der Süddeutschen Zeitung. "Zugesagt wurden uns unbürokratische Lösungen. Doch es herrscht Stillstand." Es sei skurril: "Wir dürfen mit den nötigen Maßnahmen nicht mal anfangen, weil wir auf die Förderrichtlinien warten müssen." Auch die Autohersteller ließen die Städte im Unklaren, ob und mit welcher Nachrüstung bei den besonders schmutzigen Diesel-Autos zu rechnen sei. "Für uns ist das einfach ärgerlich. Wir wünschen uns da auch mehr Durchsetzungsfähigkeit der Regierung gegenüber der Industrie."

In vier Arbeitsgruppen hatten sich die Teilnehmer der verschiedenen Diesel-Runden im Sommer aufgeteilt: Doch in den Zwischenberichten sind bislang beinahe nur Allgemeinplätze zu finden. Bei der sogenannten Hardware-Nachrüstung für Autos sperren sich die Hersteller, sprechen davon, das sei zu aufwendig. Nun soll dies ein unabhängiges Gutachten einschätzen. Doch das Bundesverkehrsministerium hat die Studie noch nicht einmal in Auftrag gegeben: Es läuft erst einmal die Ausschreibung.

Nur bei Stadtbussen scheint es schneller zu gehen: Zwischen 50 und 80 Prozent der Umrüstkosten könnten sich Kommunen erstatten lassen, lautet der Plan. Der wohl einzige Plan.

Groß ist die Wut über den sonstigen Stillstand auch in Stuttgart, in der Auto- und Abgashauptstadt. Es gebe keinerlei Aussagen darüber, ob mehr E-Mobilität kommen soll, ob mehr Fahrräder gewünscht sind, sagt Uwe Lahl, Amtschef im grün geführten Verkehrsministerium von Baden-Württemberg. All die Vorschläge, die Städte und Länder gemacht hätten, "wurden nicht zusammengetragen und verdichtet, wir kennen kein Konzept". Kurzum: "Wir haben denselben Stand wie im Sommer." Aber auch aus konservativen Landesregierungen hört man Sätze wie diese: "Es ist ein Unding, dass nur völlig unverbindlich gesprochen wird."

Dabei wird die Zeit knapp. "Wenn in der kommende Woche beim Gipfel nicht endlich konkrete Maßnahmen beschlossen werden, wird das Bayern in Bedrängnis bringen", sagt Reiter. Das Land ist von Gerichten dazu verurteilt worden, bis Jahresende Konzepte für bessere Luft vorzulegen. "Uns läuft die Zeit davon", sagt der OB . Für Düsseldorf, Stuttgart und andere Städte gilt der 22. Februar: Dann wird sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Zulässigkeit bereits angeordneter Fahrverbote befassen. Die Richter werden aufmerksam verfolgen, ob nun endlich Linderung in Sicht ist - oder eben nicht.

Die Wunschliste der Städte mit konkreten Vorschlägen für besser Stadtluft ist inzwischen lang. In München will man batteriebetriebene Kehrmaschinen anschaffen, Mainz würde 98 Dieselbusse mit neuen Filtern ausrüsten. Ludwigshafen am Rhein möchte die Computer seiner Verkehrsleitzentrale aufrüsten, um den Verkehr flüssiger zu machen. Stuttgart will Pedelecs und e-Roller für die Stadtverwaltung anschaffen und eine Abwrackprämie für Mopeds.

Ein bunter Strauß an Ideen, der mitunter bruchstückhaft wirkt. Aber die Zeit drängt eben. "Viele Städte wollen kurzfristig mit Sofortmaßnahmen zur Luftreinhaltung loslegen können", sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages . Aber bisher gebe es keine Richtlinien wie das unbürokratisch ablaufen könnte: "Der angekündigte Mobilitätsfonds des Bundes und der Automobilindustrie mit einem Volumen von einer Milliarde Euro darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss jetzt zügig umgesetzt werden."

Klar ist ohnehin: Das Geld reicht nicht. Für ein paar neue Busse reicht der Fonds, für viele neue dagegen nicht. "Bund und Länder müssen mehr Finanzmittel für den Öffentlichen Nahverkehr bereitstellen, damit die Luftqualität in den Städten besser wird und die Klimaziele eingehalten werden können", sagt der Städtetags-Geschäftsführer. Und auch die Industrie bleibt im Fokus: "Die Automobilindustrie bleibt dringend gefordert, die Dieselautos sauberer zu machen", so Dedy, schließlich stammten im Verkehr in der Stadt bis zu drei Viertel der Stickoxid-Emissionen von Diesel-Autos.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: