Abgase:Jede Menge Klagen

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Stau auf dem Mittleren Ring in München. Die Grenzwerte für Emissionen werden oft überschritten. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Deutsche Umwelthilfe erhöht den Druck auf Daimler und 16 Städte. Sie fordert Rückrufe und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Die Konfrontation im Sitzungssaal des Landgerichts Stuttgart haben die Juristen der Daimler AG noch im letzten Moment abwenden können. Aber die öffentlichen Angriffe ihres Widersachers Jürgen Resch konnten sie damit nicht verhindern. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hatte für Dienstag kurzerhand zu einer Pressekonferenz geladen, nachdem das Landgericht Stuttgart zuvor den Termin zur Verhandlung seiner Klage gegen Daimler auf unbestimmte Zeit verschoben hatte. Vor den Journalisten warf Resch dann Daimler vor, das Modell Mercedes C 220 d überschreite die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte bei kalten Temperaturen auf der Straße um mehr als das Neunfache.

Weil Resch davon ausgeht, dass nahezu alle Diesel-Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 - egal welcher Marke - die Grenzwerte im realen Straßenverkehr überschreiten, ließ er noch zwei weitere Forderungen vom Stapel: Er appellierte an die Städte, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu erlassen. Und die Behörden sollten einen "amtlichen Rückruf" aller Dieselmodelle anordnen, der sicherstellt, dass nach einer Umrüstung die Grenzwerte eingehalten werden.

Er beruft sich dabei auf den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter, der in zahlreichen Städten überschritten wird. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deshalb 16 Städte verklagt - und erste Erfolge eingefahren: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte, die örtliche Bezirksregierung müsse dafür sorgen, dass die Grenzwerte "schnellstmöglich" eingehalten werden. Gegen diese Entscheidung hat das Land Nordrhein-Westfalen eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. Voraussichtlich 2017 wird es also ein höchstrichterliches Urteil geben.

Auch das Verwaltungsgericht in Stuttgart setzt das Regierungspräsidium der Landeshauptstadt bereits kräftig unter Druck: Die Richter fragten nach, ob die Behörde im Stadtgebiet Stuttgart plane, die überschrittenen Grenzwerte ab dem 1. Januar 2018 einzuhalten. Das Regierungspräsidium gab noch keine Antwort, stattdessen bat es zweimal um Fristverlängerung. Eine Sprecherin begründet dies damit, dass im Januar noch ein "Gesamtwirkungsgutachten" ausgewertet werden müsse.

"Ohne weitreichende Fahrverbote wird es keine Einhaltung der Grenzwerte geben", sagt DUH-Chef Resch. Dabei sei es "völliger Blödsinn", wie in Paris an einem Tag alle Autos mit geraden Kennzeichen und am anderen Tag jene mit ungeraden Ziffern auszusperren. "Stattdessen sollten gezielt die schmutzigsten Fahrzeuge rausgehalten werden", fordert Resch. Er meint damit Dieselantriebe.

Obwohl in Deutschland bislang noch kein Fahrverbot ausgesprochen wurde, wirkt sich die Diskussion darüber bereits auf den Automarkt aus. Nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten ging im Großraum Stuttgart der durchschnittliche Preis für einen Dieselwagen seit 2015 um 1,1 Prozent zurück, während er bei Benzin-Fahrzeugen um 14,8 Prozent stieg. Diese Diskrepanz sei in Stuttgart, wo regelmäßig "Feinstaubalarm" ausgelöst wird, viel größer als im übrigen Bundesgebiet.

Daimler wollte die neuen Messergebnisse der DUH nicht kommentieren, weil man die Rahmenbedingungen nicht kenne. Der Konzern betonte, die Fahrzeuge seien "nach den einschlägigen Vorschriften zertifiziert und zugelassen".

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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