Abgasaffäre:Jetzt bedroht der VW-Skandal auch die Mitarbeiter

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VW-Mitarbeiter bei einer Betriebsversammlung am Dienstag in Wolfsburg. (Foto: dpa)
  • Betriebsratschef Osterloh führt bei VW ein hartes Regiment. Wer Jobs infrage stellt, rüttelt bislang an einem Tabu.
  • Das könnte sich nun ändern. Denn bei VW schmelzen wegen des Abgas-Skandals die Gewinne. In der Verwaltung soll wohl jeder zehnte Job wegfallen.

Kommentar von Thomas Fromm

Bernd Osterloh, der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende von VW, wusste schon immer, was seine Leute hören wollen. Kurz nachdem Mitte September 2015 die Dieselaffäre hochkochte, versprach er in einem Brief an die Belegschaft schnelle personelle Konsequenzen: "Und dies werden keine Sachbearbeiter sein, das kann ich Euch versichern."

Die Verantwortlichen bestrafen sowie aufräumen, dies aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer: Osterloh, mächtiger Arbeitnehmerführer und Co-Manager in einem, regiert nach einem strengen Gesetz. Wer an Jobs rüttelt, rüttelt bei VW an einem Tabu - und wird scheitern. Notfalls an ihm.

Ausgerechnet die Dieselaffäre könnte nun vieles von dem zum Einsturz bringen, woran man sich in Wolfsburg seit Jahrzehnten gewöhnt hatte. Der Gewinn des erfolgsverwöhnten Unternehmens schmilzt erstmals seit Langem, das Image sowieso. Was bei VW in diesen Wochen noch verlässlich wächst, ist die Zahl der Millionen- und Milliarden-Klagen. Um die drohenden Strafen zu bezahlen, wird dieser Riesenkonzern wahrscheinlich kleiner werden müssen. Weniger Arbeitskräfte, weniger Produktion im eigenen Haus, vielleicht sogar weniger Konzernmarken. Konzernkreisen zufolge könnte in der Verwaltung bis Ende 2017 jeder zehnte Job wegfallen. Das wären gut 3000 Stellen. Nichts anderes meint Osterloh, wenn er die Mitarbeiter jetzt vor den "dramatischen sozialen Folgen" der Strafzahlungen warnt.

Jobs streichen? Das passt nicht zur Kultur des Hauses - bisher

Nach den jahrelangen Tricksereien, den Klagen, den Rückrufaktionen und den schwierigen Verhandlungen mit den US-Behörden tut sich für den Konzern damit nun eine neue Front auf: die, an der er sich mit den Mitarbeitern, der Unternehmenskultur auseinandersetzen muss. Diese interne Front könnte von allen Fronten, an denen sich der Konzern gerade abarbeitet, die schwerste werden. Denn zum ersten Mal geht es ans Eingemachte.

VW ist ein gigantisches und unübersichtliches Viel-Marken-Konglomerat, und Osterloh, Interessenvertreter von 600 000 Mitarbeitern, ist seit Jahren einer der wichtigsten Strippenzieher in diesem Geflecht. Erfolgreich hatte er sich schon vor der Dieselaffäre gegen Personalkürzungen gestemmt. Sollte es bei VW wegen der Affäre nun zu einem größeren Jobabbau kommen, würde dies auch ihn schwächen. Für den Konzern hätte dies schwer abschätzbare Folgen. Nicht zufällig haben Manager und Arbeitnehmervertreter bei ihrer Betriebsversammlung am Dienstag demonstrativ auf Geschlossenheit gesetzt - man spürt, dass man gerade vor großen Umbrüchen steht. Und man hat Angst vor den Folgen.

Die Wolfsburger Wagenburg wackelt gefährlich. Die Mitarbeiter sind verunsichert und fürchten um ihre Jobs. Ein Vorstand, der Tausende Stellen streicht, wäre für die Belegschaft ein Signal, das die VW-Kultur mehr verändern würde als jeder Rückruf: Gestern noch wollte man der weltgrößte Autobauer werden, dann manipulierte man bei Abgastests, jetzt muss man Stellen abbauen. Es wird nicht einfach sein, das den Menschen zu erklären. Selbst wenn es unvermeidbar werden könnte.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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