Abgasaffäre:Ein Verfahren weniger

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Martin Winterkorn, hier eine Aufnahme vom Januar 2017, ist inzwischen gesundheitlich angeschlagen: Er müsste wohl im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben werden. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Justiz lässt die Anklage gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn wegen Börsenmanipulation vorläufig fallen.

Von Klaus Ott, München

Martin Winterkorn, 73, ehemaliger Chef des VW-Konzerns, hat eine Sorge weniger: In der Abgasaffäre hat das Landgericht Braunschweig das Strafverfahren gegen ihn wegen des Verdachts, er habe den Börsenkurs des Autokonzerns manipuliert, vorläufig eingestellt. Dies sei auf Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgt, teilte das Gericht mit.

Das bedeutet aber nicht, dass die Ermittler plötzlich milde werden mit Winterkorn. Staatsanwaltschaft und Gericht gehen vielmehr davon aus, dass das zu erwartende Urteil im Manipulations-Verfahren im Vergleich zu einer anderen möglichen Strafe "nicht beträchtlich ins Gewicht fällt". Der andere Fall, das ist die Betrugsanklage gegen Winterkorn und vier frühere VW-Kollegen. Winterkorn und seine damaligen Untergebenen sollen dafür verantwortlich sein, dass Volkswagen-Kunden getäuscht wurden indem ihnen schmutzige Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung als saubere Autos verkauft wurden. Hier drohen bis zu zehn Jahren Gefängnis.

Zu erwarten ist ein so langes Hafturteil zwar nicht; aber eben immer noch mehr als bei der Börsenmanipulation. Also streicht die Braunschweiger Justiz ihr Volkswagen-Programm etwas zusammen. Und Winterkorn? Der bestreitet sowieso alle Vorwürfe, seit Jahren schon. Die Betrugsanklage soll ab dem 25. Februar verhandelt werden - in der Braunschweiger Stadthalle, weil die mehr Platz bietet als das Landgericht. Und auf Abstand kommt es ja an in Corona-Zeiten. Mehrere von Winterkorns Mitangeklagten hatten über ihre Anwälte bei Gericht beantragt, den Betrugsprozess wegen der Pandemie zu verschieben. Die Stadthalle, die zugleich als Impfzentrum dient, sei ungeeignet, lautete einer der Einwände.

Das Gericht hat nach Angaben aus Kreisen von Verfahrensbeteiligten die Anträge zurückgewiesen und will am 25. Februar festhalten. Eine Frage ist aber noch offen: Kommt auch Winterkorn vor Gericht? Dem früheren VW-Chef geht es gesundheitlich schlecht, wie mehrere ärztlich Gutachten bestätigen. Verhandlungsunfähig ist er allerdings nicht. Winterkorn müsste wohl im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben werden. Und er muss Medikamente nehmen. Möglicherweise könnte nur stundenweise statt für ganze Tage verhandelt werden. Jetzt muss das Gericht entscheiden, ob es von Anfang an auch gegen Winterkorn verhandelt, oder ob dessen Verfahren abgetrennt wird.

Manipulation des Aktienkurses von Volkswagen hatten die Ermittler in der Abgasaffäre auch dem heutigen VW-Chef Herbert Dies und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch unterstellt. Deren Verfahren wurden im Mai 2020 gegen Zahlung von jeweils 4,5 Millionen Euro eingestellt. Gezahlt hatte VW. Winterkorn muss nunmehr in dieser Sache gar nichts zahlen. Aber er hat eben, anders von Diess und Pötsch, noch das Betrugsverfahren am Hals.

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