Thyssenkrupp:Eins plus eins sei kleiner als zwei

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Thyssenkrupp will die Stahlsparte mit dem Konkurrenten Tata fusionieren. (Foto: Berg/dpa)

Der Konzern will trotz Aufspaltung Verwaltungskosten sparen und profitabler werden. Denn: Die einzelnen Unternehmen sollen auch für unterschiedliche Investoren interessant sein.

Von Benedikt Müller, Essen

Zum Beginn der Woche hat Guido Kerkhoff eine Kneipe eröffnet. In einen Baucontainer vor der Zentrale hat der Konzern Thyssenkrupp einen echten Tresen eingebaut, gebrauchtes Kneipenmobiliar vor hellgrün gestrichene Wände gestellt. Hier will das Management in der nächsten Zeit mit Beschäftigten ins Gespräch kommen, etwa bei einem Feierabendbier. Denn zu besprechen gibt es gerade einiges bei Thyssenkrupp: die geplante Stahlfusion, die anstehende Aufspaltung des Traditionskonzerns, die schwachen Ergebnisse.

Zum Beispiel wird die Europäische Kommission den Zusammenschluss der Stahlsparten von Thyssenkrupp und Tata nicht ohne Auflagen genehmigen. Die Brüsseler Behörde will ihre kartellrechtlichen Bedenken in einem sogenannten Statement of Objections zusammenfassen. Man werde ihre Argumente eingehend prüfen und Lösungen erarbeiten, kündigt Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff am Dienstag an. "Ich sehe in dem Vorgehen keinen Grund zu irgendeiner neuen Besorgnis."

Der Chef von Deutschlands größtem Stahlhersteller will das Stammgeschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Tata Steel Europe auslagern; der Partner betreibt Werke in Großbritannien und den Niederlanden. Es wäre der größte europäische größter Stahlproduzent nach Arcelormittal, der den Schwankungen auf dem Weltmarkt besser widerstehen könnte, hofft man in Essen. Insbesondere bei Stahl für die Autoindustrie, bei Verpackungen und beim Elektrostahl, etwa für Transformatoren, hätte er freilich hohe Marktanteile. Thyssenkrupp will den Zusammenschluss in diesem Frühjahr abschließen.

Danach soll ein nicht minder historischer Einschnitt folgen, zu dem nun weitere Details bekannt sind: die Aufteilung des Traditionskonzerns in zwei eigenständige Unternehmen. Die Technologiegeschäfte um Aufzüge, Autokomponenten und Großanlagen sollen in einer Thyssenkrupp Industrials AG aufgehen, die als integrierter Konzern geführt werden soll. Die Beteiligung am Stahl-Gemeinschaftsunternehmen, der Werkstoffhandel und der Marineschiffbau sollen in einer Materials AG verbleiben, die als schlanke Holding organisiert werden soll. So erhielten die einzelnen Geschäftsbereiche größere Freiheiten, sagt Kerkhoff.

Beide Unternehmen könnten profitabler und innovativer sein als der bisherige Mischkonzern, hofft man in Essen; sie sollen auch unterschiedliche Investoren ansprechen. Die Verwaltungskosten beider Teile sollen von derzeit 380 Millionen Euro jährlich auf weniger als 300 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2020/2021 sinken. Eins plus eins solle weniger als zwei sein, rechnet Kerkhoff vor. Thyssenkrupp will hierzulande aber keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen.

Die beiden neuen Einheiten sollen im Oktober den Betrieb aufnehmen

Zuvor hatten mehrere Investoren kritisiert, dass der Essener Konzern mit seinen verschiedenen Sparten zu kompliziert aufgestellt sei - und auch deshalb kaum noch Gewinn erwirtschafte. Thyssenkrupp will beide künftigen Unternehmen bis Oktober "arbeitsfähig" aufstellen. Die Aktionäre sollen die Zweiteilung in der Hauptversammlung Anfang 2020 endgültig beschließen. Der Zeitplan sei ambitioniert, aber machbar, sagt Kerkhoff.

Im vergangenen Quartal hat der Ruhrkonzern zwar einen zwei Prozent höheren Umsatz erwirtschaftet als im Vorjahreszeitraum. Der Betriebsgewinn ist aber binnen Jahresfrist um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Thyssenkrupp verweist etwa auf neue Werke für Autokomponenten, die noch Anlaufverluste verursachen. Auch melde die Aufzugssparte höhere Materialkosten, der Anlagenbau schwächelt, Stahlpreise seien zurückgegangen. "Das sind keine herausragenden Ergebnisse", gesteht Kerkhoff. Sie lägen aber im Rahmen der Erwartungen; daher hält der Konzern an seiner Gewinnprognose für das laufende Jahr fest. Man kenne die Schwachstellen, sagt Kerkhoff. "Wir sind längst auf dem Weg." An der Börse hat Thyssenkrupp am Dienstag zeitweise vier Prozent an Wert verloren.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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