Trends:Marke, logo!

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Die Mode hat die Großbuchstaben wiederentdeckt. Was manche mit Schrecken an die Neunzigerjahre erinnert, finden andere total ironisch.

Von Anne Goebel

In dem sehr neunzigerjahrehaften Film "Zehn Dinge, die ich an Dir hasse" von 1999 gibt es einen Schlüsseldialog, der alles sagt. Nicht über den Film (eine Highschool, zwei Pärchen, Happy End), sondern über die späten Neunziger. Bianca erläutert ihrer Freundin Chastity, sie habe den Unterschied zwischen Mögen und Lieben begriffen. Sie möge ihre Sketchers, also das Paar Schuhe, das sie gerade gern trage. "Aber ich liebe meinen Prada Rucksack." Nichts leichter, als sich darüber heute an den Kopf zu fassen. Der Film ist aus dem Jahr vor der Epochenschwelle, aber gefühlt gehört die Szene tief ins 20. Jahrhundert. Konsum als Elementarerlebnis, diese zwitschernd vergnügte Inbrunst für Markenartikel: Bitte, wie weit weg ist das denn?

Die erstaunliche Antwort lautet: gar nicht so weit.

Logos sind mit Macht zurück in der Mode. Und ob sich das die superaufgeklärten und kritischen Konsumenten von heute eingestehen wollen oder nicht: Das verleiht Markenprodukten und den Unternehmen hinter den Symbolen eine Geltung wie lange nicht. Wer sich durch die Schauen für kommenden Frühling und Sommer klickt, dem springen die Schriftzüge und Großbuchstaben quasi ins Gesicht. Was diesen Herbst begann, legt 2019 bei Chanel über Balenciaga bis Gucci noch einmal flächendeckend zu: Logos sind überall. Gedruckt auf jedes erdenkliche Stück Textil, vom Kaschmirpulli bis zur Strumpfhose und - kleiner Gruß aus der Vergangenheit gefällig? - dem Elastikbund an Männerunterhosen.

Die Autorin Dana Thomas vermutet dahinter in erster Linie ein nostalgisches Phänomen. Der Trend habe in dem Moment Fahrt aufgenommen, als Kreative in Musik und Mode die Zeit von den späten Achtzigern aufwärts als Inspirationsquelle nutzten, so die Kulturjournalistin. Nicht nur Duran Duran oder die Schulterpolster von damals fand man plötzlich spannend, sondern auch das offensive Zurschaustellen von Designer-Abzeichen. "Damit wurde die erste heftige Phase der Logomanie wiederentdeckt", sagt Thomas. Ein Rückgriff auf gesellschaftlich raue Jahre. In der Ära des Thatcherismus diente das richtige Markenzeichen als unverhülltes Signal der Überlegenheit an weniger Privilegierte: Meine Tasche ist mehr wert als deine - und ich bin es auch. Mode als Sozialdarwinismus.

Eine Jacke von Valentino, der Name des Labels wurde komprimiert zu VLTN (Foto: Getty)

Das Comeback der grellen "Look-at-me"-Ästhetik kommt nach Ansicht von Dana Thomas harmloser daher. "Heute ist die Herangehensweise nicht so aggressiv, sondern softer, beinahe humorvoll." Für den ironischen Beigeschmack haben Labels wie Vetements gesorgt mit ihrem DHL-Aufdruck. Die grafisch einfallslosen Buchstaben des Logistikkonzerns in Tatü-Tata-Rot und -Gelb auf Designerteilen, das hat die Grenze zwischen edel und trash verwischt. Seither wird der neuen Logomania oft der Begriff "guilt-free" zugeordnet: ein argloses Zupflastern von Produkten mit Firmensymbolen. Damit ist gemeint, dass Konsumenten ihren Markenfetischismus ausleben können, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, als wandelnde Reklameträger durch die Gegend zu laufen. Wieso eigentlich Werbung? Ist doch bloß eine modische Spielerei!

Für die Marketingabteilungen der Designhäuser ist das natürlich eine fabelhafte Entwicklung. Es gibt subtilere Formen der Verkaufsstrategie als Blockbuchstaben, aber diese Welle reiten sie alle mit. Das "Prada"-Etikett prangt nächstes Frühjahr sogar auf dem schmalen Gummibündchen von Nylonkniestrümpfen. Chanel ist die Breite einer Brusttasche nicht genug, der Firmenname wird, zweigeteilt, links und rechts über dem Busen der Trägerin platziert. Die schöne Kaia Gerber war auf dem Laufsteg zusätzlich zur Bluse mit Buchstabenschmuck behängt. Und für Fendi hat Karl Lagerfeld schon beim Motto unverblümt die Direttissima gewählt: "Fendi Mania". Das Doppel-F ist auf alle Entwürfe verteilt.

Embleme, wohin man schaut. Wie ein ansteckendes Fieber scheinen sie sämtliche Kollektionen des Modeuniversums zwischen New York und Shanghai befallen zu haben. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Dass Instagram und andere Verbreitungskanäle ihren Teil zum Hype um die Logos beitragen, liegt auf der Hand. Wenn Erfolg davon abhängt, wie geschickt man das Netz mit leicht verständlichen (Bild-)Nachrichten füttert, braucht ein Modekonzern nichts dringender als ein markantes Symbol. Mit anderen Worten: etwas Simples. Ein Ritter im Harnisch mit Lanze? Viel zu kleinteilig, weshalb sich Burberry unter dem neuen Designer Riccardo Tisci entschloss, seinen reitenden Edelmann als Markenzeichen auszurangieren. Stattdessen: Name der Marke in schwarzen Lettern. Plus der Zusatz: "London. England", vielleicht als Vorsichtsmaßnahme, falls die Hauptstadt nach dem Brexit im Rest der Welt geografisch nicht mehr korrekt zugeordnet werden kann. Auf die Enthüllung des ebenfalls neuen Monogramms (ein B!) folgte ein mittlerer Social-Media-Orkan.

Bitte recht deutlich: Ohne Markenlogos geht in der Mode 2019 gar nichts. Hier zwei Modelle aus der Fendi-Mania-Kollektion. (Foto: FENDI)

Auch Balmain hat kürzlich seinen charakteristischen Schriftzug modifiziert - nach achtzig Jahren - und zum Kürzel PB (Pierre Balmain) kondensiert. "Une petite révolution", befand das französische Onlinemagazin Puretrend. Und die Liste der mehr oder minder umstürzlerischen Vereinfachungen ließe sich fortsetzen. Es ist, als wende sich die Mode an eine Kundschaft mit Sehschwäche. Calvin Klein hat seine Buchstaben verdickt. Valentino heißt jetzt VLTN. So machen sich ehrwürdige Häuser fit für Snapchat und andere Kleinformate. Es soll in der Branche Leute geben, denen das ein bisschen, nun ja, kurzsichtig vorkommt.

Andererseits kann der Luxussektor, das hat sich inzwischen nun wirklich herumgesprochen, nicht allein von betuchten Menschen ab vierzig leben. Und gerade bei der jungen Klientel steht das Explizite hoch im Kurs - ironisch gebrochen, versteht sich. Das Schlagwort von der Generation Streetwise zielt auf die unehrfürchtige Vermengung von Couture und Streetstyle. Und letzterer war schon immer geprägt von der exzessiven Verwendung bürgerlicher Statussymbole: Goldschmuck, Tenniskluft - und eben Markenembleme. Von Harlem-Rappern bis zur aktuellen Hip-Hop-Szene gehört die Großkotzigkeit riesiger Logos zum Inventar der Untergrund-Kultur. Daher schwimmen Sportswear-Firmen wie Fila oder Palace gerade weit oben.

Und im Edelsegment haben bei Millennials und Generation Z diejenigen die Nase vorn, die mit cleveren Kooperationen ihre Nähe zur Straße signalisieren.

Fendi zum Beispiel hat sich mit Supreme zusammengetan. Gucci umwarb Dapper Dan, eine schwarze Underground-Kultfigur, und beauftragte ihn mit einer kleinen Kollektion. Ach ja, und Designer Alessandro Michele hat natürlich auch zur rechten Zeit das gute alte Doppel-G-Logo wieder ausgegraben. Weil sich die italienische Marke außerdem als Vorkämpfer für Genderdiversität und Anti-Pelz-Bewegung zu inszenieren verstand, bedeutet ein Like für GG auch: Ich bin für eine bessere Welt. Das ist in Zeiten gut informierter Konsumenten natürlich ein millionenschweres Plus.

Dass am Ende die Logomanie auch einfach etwas mit Überdruss zu tun hat, klingt zwar banal. Ist aber ziemlich naheliegend. Zuletzt war in der Mode immer alles sehr reduziert und schlicht. Nachhaltige Produktion, kein Blingbling, skandinavischer Purismus. Offenbar schlägt da gerade eine Stimmung um: Jetzt ist mal gut mit der klösterlichen Strenge, bitte endlich wieder richtig dick auftragen!

Die amerikanische Autorin Connie Wang hat für diese Rebellion gegen das Etablierte, das So-macht-man-das ein schönes Bild gefunden. Modemenschen, schreibt sie, "wollen immer ihre Eltern erschrecken".

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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