Stilkolumne "Ladies & Gentlemen":Zaungäste mit Regencap und Tarnhose

Lesezeit: 2 min

Als Vertreterin des Prollcore bei Alexander Wang anzutreffen: Sängerin Rihanna. (Foto: AFP)

In der Front Row der New York Fashion Week sitzen nur A-Promis wie Sängerin Rihanna und Model Tyson Beckford. Und die dürfen dort schließlich tragen, was sie wollen, oder?

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Noch mal zur Erinnerung: Normcore ist der Trend, der das Banale zelebriert, eine Wortschöpfung aus Normal und Hardcore. Die wichtigsten Stücke für diesen Look sind Trekkingsandalen und ein waschechter Anorak. Nur noch wenige tragen das, wie man jetzt auf der New Yorker Fashion Week beobachten konnte. Am Ende sehen Frauen eben doch am liebsten aus wie Frauen, zarte Sandalen und fließende Röcke gewinnen letztlich doch immer.

Für einen Moment lang dachte man das auch von Rihanna, die sich gerade ausgiebig in den Front Rows des Big Apple amüsierte: Schockiert registrierte die Modewelt, wie sie da eines Tages ganz elegant im weißen Oversize-Hosenanzug in der ersten Reihe bei Edun saß, dem politisch korrekten Label des Rockstars Bono. Sollte Riri plötzlich eine Lady sein? Sollen wir uns jetzt etwa nur noch über Nicki Minajs viel zu kurze Röcke aufregen? Aber am Tag darauf war die Welt schon wieder in Ordnung. Riri wählte einen glänzend blauen Anorak mit passendem Regenhut für die Show von Alexander Wang und fühlte sich modisch sehr weit vorn. Kann man Normcore jetzt noch tragen? Wahrscheinlich schon. Nur muss man dann auch dahinterstehen: Halbherzig durchgezogene Modetrends sind immer auch nur eine halbgute Idee.

Statt Trekkingsandalen trug Rihanna nämlich rote High Heels, rote Lippen und Nägel, dazu jede Menge Goldschmuck und eine unerklärliche Tasche. Damit ist der Anorak nicht mehr dem Normcore, sondern eher dem Prollcore zuzurechnen. Ohne Prolls wäre die Welt allerdings ein langweiligerer Ort, weswegen wir Rihanna ihren Fehltritt natürlich wie immer verzeihen.

Julia Werner

Schockiert registrierte die Modewelt, wie Rihanna den Tag zuvor ganz elegant im weißen Oversize-Hosenanzug in der ersten Reihe bei Edun saß. (Foto: AFP)

Tyson Beckford braucht von uns natürlich keine Tipps. Dieser imposante Mann war in den Neunzigerjahren eines der wichtigsten Männermodels, und die Liste seiner allein auf Wikipedia verbrieften Liebschaften ist wirklich ausgesprochen beeindruckend. So einer kann zur Schau kommen, wie er möchte.

Aber gerade das ist das Problem: Die Gewissheit, dass alles an ihnen gut aussieht, plus ein übervoller Kleiderschrank lassen das Stilempfinden vieler Models ziemlich verkümmern. Camouflage-Jeans mit ebensolchen Slippern zu einem arg stramm geknöpften Hemd - Beckford wirkt hier wie ein Soldat, der sich gerade für den Nebenjob als Kellner umzieht. Oben zu norm-, unten zu hardcore. Das Hemd zu weiß, das Tarnmuster zu dschungelig, enge Manschetten vs. Kantenuhr vs. offene Schuhe, das passt irgendwie nicht, ist alles für sich vielleicht fashionable, aber gemeinsam eindeutig weniger als die Summe der einzelnen Teile.

Vor allem: nicht elegant, nicht festlich. Es hat sich bei den Modewochen so eingebürgert, dass das Publikum dem Laufsteg unbedingt Kreativ-Konkurrenz machen möchte, wenn es am Laufsteg oder bei den zahlreichen Nebenveranstaltungen aufscheint. Dabei sind die Schauen eine Messe für neue Mode, und man könnte sich in der ersten Reihe ruhig ein bisschen demütig zeigen und als das kommen, was man ist: Trägermasse. Zu einer Vernissage in einer Galerie erscheint ja auch niemand mit Selbstgemaltem, und beim Kammerkonzert pfeift man in der Pause doch auch nicht eigene Kompositionen vor. Das alles hat einen guten Grund. Tyson Beckford hat für dieses Outfit vermutlich keinen.

Max Scharnigg

© SZ vom 12. September 2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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