Regionale Grillvorlieben:Gott lenkt, der Saarländer schwenkt

Lesezeit: 3 Min.

Gehört zur saarländischen Landeskultur: der Schwenker (Foto: Jürgen Walther - Fotolia)

Im Saarland gehört das Grillen zur Identität. Die Bewohner des kleinen Landes bedienen sich dabei einer ganz besonderen, dreibeinigen Apparatur. Und sie schwören darauf, dass diese Art der Fleischzubereitung sämtlichen anderen Varianten überlegen sei.

Von Oliver Klasen

Das Saarland, ein kleines sympathisches Bundesland am südwestlichen Rande Deutschlands, ist den meisten Menschen vor allem aus den Nachrichten bekannt, wenn mal wieder irgendwo ein Öltanker leck geschlagen ist oder in Kalifornien Waldbrände wüten. Der Ölteppich, respektive die in Flammen stehende Waldfläche, werden dann oft mit dem Attribut "ungefähr halb so groß wie das Saarland" versehen. Das blöde an derlei Vergleichen ist, dass kein Mensch von außerhalb auch nur eine ungefähre Vorstellung davon hat, wie groß dieses Ländchen ist. Deshalb sei es hier einmal verraten: exakt 2569,69 Quadratkilometer.

Als Größenreferenz ist das Saarland also eher ungeeignet. Auf einem anderen Gebiet - dem Grillen nämlich - gibt es jedoch kaum eine bessere Referenz. Nirgendwo sonst gehört diese Art der Essenzubereitung so sehr zur Landeskultur, ja sogar zur Identität wie hier. Wobei man gleich korrigieren muss: Gegrillt wird im Saarland nicht, es wird geschwenkt.

Der Schwenker ist ein aus Edelstahl gefertigtes dreibeiniges Gestänge, das über einer Feuerstelle steht. Oben in der Mitte, wo alle drei Stangen zusammenlaufen, ist eine Kette angebracht. An dieser Kette hängt der runde Grillrost, auf dem das Fleisch platziert wird - vegetarisches Grillen ist im Saarland quasi nicht existent. Der Rost ist beweglich und über dem Feuer in alle Richtungen drehbar, genauer: schwenkbar, was der Apparatur den Namen gibt.

Ein Wort mit drei Bedeutungen

Wer einmal dort war, weiß, dass der Saarländer als solcher mit eher wenigen Worten auskommt. Praktischerweise hat das Wort "Schwenker" deshalb eine mehrfache Bedeutung. Es bezeichnet erstens den Grill, zweitens das Grillgut und drittens den Menschen, der eben dieses Grillgut am Feuer stehend zubereitet.

Die Frage ist nur, bringt das Ganze irgendetwas? Wird das Fleisch schonender gegart, entfalten sich die Aromen besser, wenn das Steak kreisend über der Flamme baumelt, oder ist das Schwenken nichts als saarländische Folklore?

Ein Anruf bei Frank Seimetz soll das klären. Seimetz, 42, hat in Spitzenrestaurants gearbeitet und selbst mehrere von ihnen eröffnet und betrieben, fünf Jahre lang hatte er eine Kochsendung im Dritten Programm, jetzt arbeitet er als Ausbilder und Coach für andere Köche, vor allem aber ist er: Saarländer. Und damit bestens qualifiziert, diese Frage zu beantworten.

"Es bringt schon was", sagt Seimetz. Der Schwenker, also das Fleisch jetzt, profitiere von der gut dosierbaren Hitze. Auf einem konventionellen Grill, bei dem sich der Rost oft nur um wenige Zentimeter in der Höhe verstellen lässt, könne man die Temperatur während des Grillvorgangs kaum regulieren.

Der marinierte Schweinenacken, aus dem ein Schwenker normalerweise besteht, "benötigt eine relativ lange Garzeit, damit das Fett herausschmilzt", sagt Seimetz. Die Temperatur dürfe nicht zu hoch sein, die Gewürze nicht verbrennen, trotzdem müsse das Fleisch am Ende schön knusprig sein. Für dieses "krosse Finish", wie Seimetz es nennt, sei der Schwenkgrill ideal. Allerdings werde der Vorteil der guten Hitzeregulierung nur bei besagtem Schweinenacken voll ausgespielt. "Würstchen auf den Schwenker zu legen, ergibt eigentlich keinen Sinn", sagt Seimetz. (Der Saarländer macht es natürlich trotzdem.)

2648 Fleischstücke auf einem einzigen Grill

Ein Schwenker, so bemerkt der Koch, sei ungemein effizient. Mit einer relativ kleinen Feuerstelle und vergleichsweise wenig Brennmaterial könne man eine große Menge Grillgut zubereiten. Ein paar etwas durchgeknallte Mitglieder der Christlichen Arbeiterjugend aus dem saarländischen Ort Siersburg haben das vor drei Jahren unter Beweis gestellt und sind ins Guinness-Buch der Rekorde eingegangen, mit einem Riesen-Schwenker, 15,2 auf 2,6 Meter, gefertigt von Auszubildenden der Völklinger Saarstahl AG. Auf diesem Gerät bruzzelte die Arbeiterjugend 2648 Fleischstücke gleichzeitig, so viel, dass ein ganzes Dorf davon satt wurde.

Profikoch Seimetz führt dann noch ein weniger fachliches Argument an. Für den Schwenker, also den Menschen jetzt, gehe es auch um das Erlebnis, um die Optik, um das Feuermachen an sich. "Diese Kugelgrills, das ist fast wie die Grillfunktion im Backofen, da sieht man ja kaum etwas", sagt Seimetz.

Das Schwenken ist also eine emotionale Sache im Saarland. "Gott lenkt, der Mensch denkt, der Saarländer schwenkt", heißt es hier. Puristen - und von denen gibt es im Saarland einige - bestehen darauf, dass ein Schwenker, also der Grill jetzt, niemals im Laden gekauft werden darf. Das Material, klassisch ist es sogenannter V2A-Stahl, lässt man sich von einem Bekannten mitbringen, der es während der Arbeit "uff der Hitt" (auf der Eisenhütte, Anm. d. Red.) nun ja, besorgt hat. Als Behältnis für das Brennmaterial dient gerne auch mal eine ausrangierte Edelstahl-Wäschetrommel. Dann wird das Gestell zuhause, zum Beispiel in der Garage, zusammengeschweißt und sogleich getestet.

Zufrieden ob der eigenen Handwerkerkünste, ein Stubbi (Anm d Red.: gedrungene 0,33l-Flasche Bier) in der linken und das Grillbesteck in der rechten Hand, könnte das Leben des Saarländers nun im zu Ende gehenden Spätsommer kaum schöner sein, wäre da nicht ein kleiner Schmerz. Denn der Legende nach kommt die Tradition des Schwenkens ursprünglich gar nicht aus dem Saarland, sondern aus dem Hunsrück, und damit höchstwahrscheinlich aus: Rheinland-Pfalz.

© Süddeutsche.de/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: