Musik:Arm, aber sexy

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Die Tonarme von Frank Schröder sehen aus wie Kunstobjekte, kosten fast so viel wie ein Kleinwagen - und sind wieder sehr gefragt.

Von Harald Hordych

Es ist so weit, lange hat Frank Schröder über Tonarme für Plattenspieler gesprochen, nun zieht er eine Platte hervor. Wo er sie genau herhat, bleibt rätselhaft. In dieser Wohnungswerkstatt türmen sich selbstentwickeltes Werkzeug, undefinierbare Bauteile, Wiedergabegeräte und Schallplatten zu einem Labyrinth lebenslanger Tüftelerfahrung, alles ist zu einem Erfindungsorganismus zusammengewachsen. Da also hat Frank Schröder hineingegriffen, und schon lag die LP "At Swim" der irischen Sängerin Lisa Hannigan in seiner Hand.

Als sich dann die Platte dreht, ist das gar nicht mal ein so erhabener Augenblick, wie das bei Highend-Gläubigen ja oft der Fall ist: superschicke Anlage, leerer Raum. Nein, Schröder hat ohne jede feierliche Akustikpriester-Attitüde die Platte aufgelegt, und Lisa Hannigan läuft auf einem dieser selbstgebauten Plattenspieler, die so wuchtig aussehen, als hätte Schröder bei Obi nach Material für ein Blockhaus gesucht. Alles wirkt improvisiert, so als ob auch die Musik noch mal von Frank Schröder überarbeitet werden könnte. Da noch löten und probieren und rumschrauben. Und fertig! Nein, fertig eben nicht, weil fertig hieße ja, der bestmögliche Klang wäre erreicht, und das geht für Leute wie Frank Schröder gar nicht. Deswegen sind Tonarme ja auch sein lebenslanges Projekt.

Seit seinem 14. Lebensjahr entwickelt und baut Schröder, 54, Tonarme. Viele Jahre als private Passion, ab 1999 für seine eigene Firma, als er seine Arbeit beim Bundespresseamt in Berlin aufgegeben hat. "Mittlerweile lizenziere ich auch von mir entwickelte Tonarme für Firmen, die international agieren und verkaufen." Die Tonarme, die er hier herstellt, haben einen Endpreis von 2000 bis 10 000 Euro.

Frank Schröder wohnt und arbeitet am Stuttgarter Platz. Früher war hier mal das meiste Rotlicht Berlins und ansonsten Ramschläden. In einem der nicht gerade luxussanierten Häuser wohnt Schröder mit seiner Familie. Das heißt, auf einer Etage wohnt er mit Lebensgefährtin und Sohn. Ein Stockwerk tiefer wohnt er in einem riesigen Zimmer mit seiner Musik, seinem Werkzeug und Tonarmen, die Schröder CB-L oder Referenz SQ heißen.

Frank Schröder in seiner Werkstatt. (Foto: Harald Hordych)

Um Frank Schröder besser zu verstehen und seine unglaublich penible Art, über "Quellengeräte zur Schallplattenwiedergabe" zu sprechen, muss man wissen, dass Menschen, die gerne Musik hören, ein gespaltenes Verhältnis zu Schwingungen haben. Töne setzen sich aus Schwingungen zusammen, die braucht man. Aber wenn die Dinge, die diese Töne für uns produzieren, der Plattenspieler und die Teile, aus denen er sich zusammensetzt, in Schwingung geraten oder Reibung erzeugen, den Ablauf hemmen, ja selbst so etwas wie Töne erzeugen, dann ist das schlecht, denn die Musik wird gestört, akustisch verunreinigt könnte man sagen. Exzellente Plattenspieler sind wahre Schwergewichte.

Über so etwas vermögen Experten endlos zu diskutieren. Und seit der große Trend zurück zum Vinyl eingesetzt hat, kommen immer neue Experten dazu. Warum? Rainer Maillard ist Geschäftsführer der Emil-Berliner-Studios, die zu den weltweit wenigen Studios gehören, die direktgeschnittene Vinylplatten produzieren. Maillard erklärt den Boom mit der Sehnsucht nach dem Echten: "Immer mehr Menschen wollen besser verstehen, wie es möglich ist, Musik festzuhalten und wieder aufleben zu lassen, indem eine Nadel den Spuren folgt, die der Schall in einem Material hinterlassen hat." Musik kann man mit einer Lupe an der Rille erkennen. Das ist eine sinnliche Erfahrung.

Der Boom ist Frank Schröder ziemlich egal. "Ich habe das immer gemacht. Auch, als die meisten Leute die Schallplattenwiedergabe abgeschrieben hatten, habe ich das weiterbetrieben." So gut, dass Highend-Spezialisten ihm sagten, er müsse seine Tonarme einem größeren Kreis zur Verfügung stellen. So wurde aus einer Liebhaberei eine Profession. Auf bis zu 50 000 schätzt er den Kundenkreis im High-End-Segment allein in Deutschland, für ihn sind das Menschen, "die am Kulturgut Musik interessiert sind und diese Kultur mittels der Schallplatte so intensiv wie möglich erfahren wollen". Schröder baut seine Tonarme für Plattenspieler, bei denen es so effektiv wie möglich nur um Wiedergabequalität geht und nicht für Geräte, die von der Phonoindustrie mit "einer unglaublichen Zahl von Knöpfen, Einstellmöglichkeiten oder dem Luxus einer Fernbedienung angepriesen werden".

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(Foto: Schröder)

Drei verschiedene Schröder-Tonarme: Mit Bronze-Gegengewicht.

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(Foto: Schröder)

Hier mit Ebenholzarm.

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(Foto: Schröder)

Und ein Modell aus Ahorn, Bambus und Kohlefaser.

Deshalb sehen die patentierten Tonarme von Frank Schröder denkbar schlicht aus, wie kinetische Objekte. Wichtig ist, dass sie möglichst resonanzarm sind. Denn auch der Arm, an dem der Tonabnehmer und die Nadel angebracht sind und der immer so grazil über der Platte zu schweben scheint, kann sehr in Schwingung geraten. Um das zu verhindern, hat Schröder Tonarme entwickelt, die aus mehreren Materialen zusammengesetzt sind, etwa aus Karbon und Edelhölzern wie Schlangenholz oder Grenadill. Die lassen sich praktisch nicht verbiegen, "extrem verwindungssteif" nennt Schröder das. Der Preis für solchen Aufwand ist hoch. Dazu sagt Schröder lapidar: "Kann sein, aber einer meiner ausländischen Vertriebspartner sagt, ich sollte unbedingt teurer werden. Dann könnten wir mehr verkaufen!" Nur das Teuerste kann das Beste sein? Frank Schröder sieht das anders. Außerdem weiß er nicht, wie er noch mehr herstellen soll. Die Lieferzeiten betragen jetzt schon bis zu einem Jahr.

Aber kann man diesen ungeheuren Aufwand auch hören? Was man wahrnimmt ist: Plötzlich steht Lisa Hannigan mitten in diesem mit Zeug vollgestopften Raum und singt. Ob es aber jetzt an der Nadel, an den Boxen, dem Verstärker, dem Plattenspieler oder tatsächlich am Tonarm liegt - wer will das sagen? Der Klang ist jedenfalls ergreifend. Frank Schröder sieht zu seinem Besucher, schaut in sein Gesicht und sagt: "Ist das nicht wunderbar? Für diesen Gesichtsausdruck mache ich das."

Weiterführende Lektüre: Vinyllexikon, Frank Wonneberg, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2016.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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