Ladies & Gentlemen:Alles Kopfsache

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(Foto: picture alliance/Ik Aldama, The Row)

Diesen Sommer sollen seltsame Hüte und Mützen Aufsehen erregen und die Individualität ihrer Träger unterstreichen. Gute Idee, aber vielleicht ein bisschen zu verkopft?

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Guter Aufsatz

Den Urzweck von teuren Klamotten hatten modebegeisterte Menschen in den letzten Jahren vergessen. Übelnehmen kann man es nicht, wurde allen doch jahrelang die Botschaft von leisem Luxus und feinstem Handwerk in die Gehirne gehämmert, so lange, bis ein paar zu einer Tasche zusammengenähte Lederstücke eine der größten Errungenschaften der Menschheit zu sein schienen. Ja, so schnell können die Ansprüche sinken. Das muss sich ändern. Für eine bahnbrechende Erfindung ist es für die meisten von uns wohl zu spät, also klein anfangen, morgens beim Ankleiden. Was nämlich ist der Urzweck von Mode? Die eigene Persönlichkeit entweder zu unterstreichen oder, wenn nicht vorhanden, zu erfinden. Mit Kaschmir in Beige ist das schwierig, da ist etwas mehr Pioniergeist gefragt.

(Foto: The Row)

Glücklicherweise sprießen jetzt die ersten zarten Blüten der Sehnsucht nach mehr Originalität in Form von ausgefallenen Kopfbedeckungen. Oder Personality Hats, wie die schlaue Modepresse sagt. Bei Martin Margiela versteht man darunter eine mit Pailletten besetzte Badekappe, bei Prada eine Art Reithelm mit lilafarbenen Federn und bei Chanel hat der Sonnenhut Wagenradgröße. Absoluter Vorreiter unter den Fürsprechern des lustigen Huts ist das New Yorker Label The Row. Das hier gezeigte Modell "Penelope" sieht aus wie ein kunstvoll auf dem Haupt aufgetürmter Turban. Kann man in München oder Dortmund nicht tragen, da wird man doch für verrückt erklärt, hören wir schon die angsterfüllten Einwände. Aber viel irrer ist doch, stets aussehen zu wollen wie alle anderen.

Für ihn: Weiche Birne

Im Grunde gibt jeder Mann, der heute ernsthaft einen Hut im Alltag trägt, schon ein ausreichend starkes stilistisches Statement ab. Die Kopfbedeckung selbst braucht dann also nicht extra noch in sich auffällig und wild zu sein. Im Gegenteil - eigentlich erfordert ein klassischer Hut heute wesentlich mehr Tragemut als ein Objekt, das allzu deutlich als verrücktes Accessoire und modischer Gag zu deuten ist.

(Foto: picture alliance/Ik Aldama)

Bei den Sommerschauen von Louis Vuitton nun waren aber sehr viele solch ausgefallene Abschlussdeckel im Einsatz, etwa hier dieses zarte Kind einer Wollmütze und einer Perlenkette. Früher hätten Zarentöchter und ihre Nachkommen so was zum Skifahren getragen, mittlerweile ist derlei offenbar nicht nur unisex, sondern eben auch unisaisonal anwendbar. Nun ist die Beschäftigung mit neuer Hutmode grundsätzlich bestimmt eine gute Idee, denn für die meisten Männer kommt im Leben eine Phase, in der die natürliche Kopfbedeckung weniger wird oder man sich mit einem zusätzlichen Kopfschutz einfach ein bisschen, nun ja, behüteter fühlt. Die dann verfügbare Auswahl ist nicht allzu groß - Urbanisten tragen wacker ihre dünnen Wollmützen oder im Sommer mal einen Strohhut, andere gehen schon früh eine Lebenspartnerschaft mit der Baseballkappe ein. Darüber hinaus gibt es allerdings nicht viel Variationen bei dem Thema. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn sich ein paar einfache Hutmodelle wieder dauerhaft im Straßenbild verorten ließen. Denn erst, wenn man die Standards beherrscht, lassen sich auch die Kapriolen besser würdigen.

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