Mode:Das seltsame Verhältnis des Mannes zum Regenschirm

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Es ist kompliziert: Männer und Schirme führen keine symbiotische Beziehung. (Foto: dpa, Reuters; Collage Jessy Asmus/SZ.de)

Wie trägt der Mann seinen Schirm? Am besten mit Würde - oder gar nicht.

Von Oliver Klasen

Als Mann einen Schirm zu tragen, funktioniert eigentlich nur, wenn man qua Alter, Herkunft, Stilsicherheit, Sozialisierung und Habitus glaubhaft als englischer Gentleman durchgeht. Auf John Steed, den Hauptdarsteller in der Sechzigerjahre-Agentenserie Mit Schirm, Charme und Melone trifft das zweifellos zu. Schon lässig, wie er mit dem schwarzen Schirm in der linken und dem Champagnerglas in der rechten Hand auf seine Partnerin zuschreitet, die ihm den Korken der Flasche gerade mit dem Colt weggeschossen hat.

Sting, inzwischen sind wir in den Achtzigerjahren, geht auch. Wie der Rock-Musiker in dem Video "Englishman in New York" die Fifth Avenue entlangläuft. Schwarzer Trenchcoat, Schal, wallendes Haar und eben dieser Schirm. Es liegt Schnee in New York, es ist vermutlich schweinekalt, aber dem gepflegten Herrn kann das nichts anhaben. Jedwedes Schmuddelwetter perlt an seiner Grandezza ab.

Seien wir ehrlich, die meisten Männer geben mit ihrem Schirm ein bedauernswertes Bild ab. Wenn sie auf den Straßen Berlins, Schweinfurts oder Wanne-Eickels in dieser Jahreszeit durch die graue Suppe staksen, sehen sie weder aus wie John Steed noch wie Sting. Wie soll das auch funktionieren? Der Name des meistverkauften Exemplars in Deutschland lautet: "Knirps".

Wäre man der Stilberater dieser Männer, würde man ihnen dazu raten, sich im Zweifel lieber nassregnen zu lassen. So wie François Hollande, der französische Staatspräsident. Es gibt diese Szene vom Tag seiner Amtseinführung im Jahr 2012. Damals regnete es in Paris wie aus Kübeln. Hollande hätte einen Schirm benutzen können, es hätte sich mit Sicherheit sogar jemand gefunden, der jenen Schirm schützend über ihn gehalten hätte. Doch was machte der Präsident? Setzte sich heldenhaft den Naturgewalten aus und ließ sich entsetzlich vollregnen. Nie war sein Standing größer.

Männer und Schirme, eine komplizierte Geschichte also. Wie kommt es, dass es einem Durchschnittsmann unabhängig vom Alter offenbar unmöglich ist, einen Schirm mit Würde zu tragen? Warum gibt es nur Hollande oder John Steed und nichts dazwischen?

Anruf bei Bernhard Roetzel, Stil- und Kleidungsexperte, Buchautor und vor allem: ein klassischer Gentleman. "Es fängt schon damit an, dass die meisten Männer bei Schirmen kein Qualitätsbewusstsein haben", sagt Roetzel. Selbst, wenn sie sonst gut gekleidet seien, trügen sie bei Regen "ein Ding mit der Werbung einer Kopfschmerztabletten-Firma, das sie irgendwo abgestaubt haben".

Problem Nummer zwei: Viele Exemplare seien für ihren Träger entweder zu lang oder zu kurz. "Steht der Schirm senkrecht, muss die Hand in Hüfthöhe und der Arm leicht angewinkelt sein", sagt Roetzel. Hinzu komme, dass die "Generation Umhängetasche", wie der Stilberater sie nennt, es weder gewohnt sei, eine Aktentasche zu besitzen, noch den Hut zu ziehen, noch einen für den Fall schlechten Wetters mitgeführten Schirm elegant am Körper zu tragen. "Das erfordert einen gewissen Rhythmus beim Gehen und ein abgestimmtes Schwenken und Aufsetzen des Schirmstocks", sagt Roetzel. Fähigkeiten, die man sich früher bei seinem Opa abschauen konnte, für die heute aber die Vorbilder fehlen.

Mit Kapuze besser bedient

Überdies sind im Supermarkt gekaufte oder als Werbegeschenk erhaltene Exemplare nicht nur ästhetisch fragwürdig, sondern auch unpraktisch, wenn nicht gar gefährlich: Der Stoff vom Wind zerzaust, die Speichen verbogen, die Spitzen aus den Schutzkappen herausgebrochen, können Schirme zu lebensgefährlichen Stichwaffen werden. Macht keinen Spaß, damit durch eine volle Fußgängerzone zu laufen. Und es sieht auch fürchterlich unsouverän aus.

Roetzel, geboren 1966, kann verstehen, dass der Herrenschirm langsam aus dem Straßenbild verschwindet. Ein Mann, der ohnehin wasser- und windabweisende Funktionskleidung trage, sei mit einer Kapuze besser bedient. "Im Grunde ist ein Schirm vergleichbar mit einer zusammengerollten Zeitung unter dem Arm. Beides ist ein bisschen anachronistisch und für beides braucht man einen Sinn für klassische Eleganz."

Trotz der immer kleiner werdenden Klientel sieht Roetzel die Zukunft des schirmherstellenden Gewerbes optimistisch: "Nichts verliert man so leicht wie einen Schirm. Der Schirmfabrikant meines Vertrauens sagt mir, er lebt ganz gut davon."

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