Ladies & Gentlemen:Stilvoll verlottern: die neuen Clochards

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(Foto: Getty(2))

Komplizierte Lagen, übergeworfene Decken: Wenn es nach den Designern geht, ist für Männer und Frauen in diesem Herbst der Zwiebellook in wie nie.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Für sie: Asymmetrisch warm bleiben mit Sacai

Layering. Das schicke Wort für den flexibel an- und ablegbaren Zwiebellook. Oder: Für den verzweifelten Versuch, warm zu bleiben, aber beim Betreten von Kaufhäusern nicht in Schweiß auszubrechen. Seit ein paar Saisons propagiert die Mode ja die Daune als neues Statussymbol, sie ist der neue Pelz. Deswegen dient sie jetzt auch als kunstvolles Schichtmaterial, allerdings nicht aus oben genannten Wellnessgründen.

Die Modelogik funktioniert genau andersrum: Schicke Menschen wollen ihre schicken Daunen schließlich auch dann tragen, wenn der Klimawandel ihnen um die Weihnachtszeit ein Schnippchen schlägt. Also drapieren sie das riesige Teil kunstvoll mit allerlei Gürteln und Geschick um ihren Körper, damit die Luft unter den Achseln lässig zirkuliert.

Erfunden hat den Look übrigens nicht irgendein Hipster-Designer bei Balenciaga oder Vetements, sondern Chitose Abe, Chefin des feinen japanischen Labels Sacai. Wie man hier sieht, funktioniert das Ergebnis auf dem Laufsteg hervorragend - auf der Rolltreppe von bürgerlichen, gut geheizten Kaufhäusern hingegen könnte man damit Angst und Schrecken verbreiten.

Denn der bewegungshemmende Look erinnert doch wahlweise an einen Textil-Cyborg oder einen - Vorsicht, schickes Wort für Obdachloser - Clochard! Zusammengefasst: Asymmetrie ist in, aber nur im Kontrast zu symmetrischen Modelgesichtern. Alle anderen sollten die Modelogik einfach wieder umdrehen und wie sonst auch ein asymmetrisches Gesicht zu einer schnurgeraden Jacke tragen.

Julia Werner

Du lieber Himmel, es ist schon, pardon, manieriert, was das Label Marni hier als Casual-Look für den Mann von Welt vorschlägt. Nicht, dass uns dieses Outfit ganz unbekannt wäre - in einem ähnlichen Aufzug öffnet man schließlich die Tür, wenn der Paketbote zu früh oder die Nachbarin zu spät klingelt und man sich notdürftig zivilisieren muss.

Dann ist der improvisierte Look auch halbwegs zu verklären, als irgendwie süß-verwilderte Spontanentscheidung. Hat man ja auch in vielen Filmen gesehen - die achtlos umgehängte Decke kann ein durchaus männliches Erscheinungsbild sein. Entweder sitzt man damit übernächtigt am Lagerfeuer und wappnet sich für den Postkutschenüberfall.

Oder man hat sich nach diversen Heldentaten von der New Yorker Feuerwehr aus dem Hudson fischen lassen und kontempliert eine halbe Filmminute lang mit übergeworfener Decke und nicht ganz adäquatem Beinkleid über den tragischen Verlust des Kollegen.

Denn natürlich gilt: Ein bisschen Schwäche und ein bisschen demonstratives Schutzbedürfnis machen den harten Mann erst liebenswert. Aber diesen Impro-Look zum Dauerzustand erheben und mit avantgardistischer Gummigalosche und wehendem Überwurf durch die Stadt eilen?

Das dürfte doch für Irritationen sorgen und lässt weniger an verwegenen Clochard als vielmehr an ein verzärteltes Söhnchen denken, dass nicht aus dem warmen Bett möchte. Obwohl eine mitgeführte Decke grundsätzlich eine feine Sache ist, angesichts der Zumutungen, die einem heute unter dem Oberbegriff "Reisen" begegnen.

Max Scharnigg

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