Kosmetik:Alles eine Frage der Zeit

Lesezeit: 3 Min.

Fettig oder trocken? Der Hauttyp einer Frau galt lange als simpel zu bestimmen. Jetzt setzt die Kosmetik auf Pflege, die sich am Zyklus orientiert.

Von Christina Berndt

Welchen Hauttyp eine Frau hat? Viele Jahrzehnte lang wurde die Frage im Grunde seltsam gedankenlos mit den Schlagwörtern "normal", "trocken" oder "fettig" beantwortet, an denen sich die Kundin am Kosmetikregal zu orientieren hatte. Gerade allerdings bekommt die Frage eine ganz neue Dimension.

Denn, so lautet die jüngste Botschaft aus dem Beauty-Kosmos: Die meisten Frauen haben nicht nur einen Hauttyp, sondern drei. Und diese Erkenntnis ist ausnahmsweise gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen wie manch anderer Trend, der in den vergangenen Jahren kam und ging. Wie die Haut einer Frau gerade drauf ist, wie viel Talg sie produziert und wie viele Pickel, das wandelt sich ständig, und es hängt ganz wesentlich davon ab, in welcher Phase ihres Menstruationszyklus sich die Frau gerade befindet. Kommt die Periode bald? Dann ist die Haut all zu oft ein glänzendes, hormonverseuchtes Ärgernis. Rund um den Eisprung entschädigt sie ihre Besitzerin dagegen mit einem verführerisch rosigen, frischen, Fruchtbarkeit signalisierenden Teint.

Aber wenn sich die Haut im Laufe des Zyklus so spürbar verändert: Wäre es dann nicht sinnvoll, seine Gesichtspflege dieser Veränderung anzupassen? Klar, sagen diverse Firmen - und bieten deshalb auch gleich am Zyklus orientierte Sets von Hautpflegeprodukten an. So wie die Britin Charlotte Ferguson, die sich in London mit ihrer Firma "Disciple Skincare" selbständig gemacht hat. "Cyclical Skincare" heißt das zugehörige Zauberwort im Branchejargon. "Wenn man mit Leuten darüber spricht, sagen sie sofort: Das ergibt total Sinn, ich habe bisher nur nie darüber nachgedacht", erzählt Ferguson.

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Sie heißen "Man Cave", "Bull Dog" oder "The Bluebeard's Revenge", stehen gerne mal im Backsteinregal und sollen echte Kerle schöner machen. Über die Lust am gut gepflegten Klischee.

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Auch Hautärztinnen und Kosmetikerinnen können der zyklussensiblen Kosmetik etwas abgewinnen. Es sei durchaus sinnvoll, die Pflege an das jeweilige Hautbild anzupassen, sagt etwa Anjoli Mahto, die an der Cadogan Clinic in Chelsea bei Hautproblemen berät. Allerdings sollten Frauen dabei nicht zu häufig zwischen verschiedenen Produkten hin und her wechseln.

Die neuen Produkte passen natürlich voll zum Zeitgeist

Es ist ja auch logisch: Während die Feuchtigkeitscreme am Beginn des Zyklus der Haut einen wunderbaren Dienst tut und sie mit der nötigen Frische versorgt, kann zu reichhaltige Creme die Fettigkeit der Pickelphase unangenehm erhöhen. Da kann es sinnvoll sein, sich in seinen Hautpflegeroutinen dem anzupassen, wozu diese Routinen schließlich da sind: den Zustand der Haut zu verbessern.

Wie das genau geht? Dazu sollte man wissen, was während der drei Phasen des weiblichen Zyklus mit den Hormonen so los ist. Denn diese beeinflussen den Feuchtigkeitshaushalt, die Durchblutung und die Talgdrüsen und damit die Fettigkeit der Haut.

Erste Phase: die Periode. Von Tag eins bis etwa Tag fünf des Zyklus ist der Spiegel aller Hormone sehr niedrig; die Haut ist in dieser Zeit trocken, matt und leicht irritierbar. Deshalb sind milde Produkte sinnvoll, die die Haut nicht zusätzlich reizen. Bloß keine Experimente mit neuen Produkten in dieser sensiblen Phase! Vielmehr sollte auf eine milde Reinigung eine reichhaltige, gut verträgliche Feuchtigkeitscreme folgen.

Zweite Phase: die Follikelphase. Von der Menstruation bis zum Eisprung, also etwa in den Tagen sechs bis 14, steigt der Östrogenspiegel immer weiter an, die Haut wird gut mit allem versorgt, was sie braucht, ist rosig, frisch und strahlend. Das Hautbild ist in diesen Tagen meist gut und ausgeglichen. Hautpflege sollte man daher eher sparsam verwenden und auf keinen Fall zu fettige Creme auftragen, sonst verstopfen die Poren.

Dritte Phase: die Luteal- oder Gelbkörperphase. Vom Eisprung bis zur Periode, also etwa zwischen Tag 14 und Tag 28, sind die Östrogenspiegel mäßig hoch, dafür erreicht die Produktion von Progesteron in der Mitte dieser Phase ihren Höhepunkt. Das Gelbkörperhormon verleiht dem Kollagengerüst im Bindegewebe Stärke. Zugleich erhöht es aber auch die Aktivität der Talgdrüsen, die Haut wird ölig, die Pickelgefahr steigt in diesen Tagen immer mehr. Eine besonders gründliche Reinigung ist angesagt. Jetzt wäre auch die Zeit für ein Peeling.

Das Phänomen "Cyclical Skincare" passt nicht nur zur Haut, sondern auch zum Zeitgeist. Heute betrachten viele Frauen ihren Zyklus mit einem völlig anderen Selbstbewusstsein, als das ihre Mütter häufig noch taten, und leben nach ihm. Beim "Cyclical Living" gönnen sie sich Ruhe, wenn der Körper danach verlangt, weil er sich gerade auf den nächsten Eisprung vorbereitet; in energiegeladenen Zyklusphasen treiben sie dagegen vermehrt Sport oder machen mit Freunden einen drauf. Moderne Frauen wollen ihren Zyklus nicht mehr als lästiges Übel betrachten, das irgendwie störend und im Zweifel ein bisschen eklig ist, und das man möglichst vorm Rest der Menschheit zu verstecken versucht. Der Zyklus gehört vielmehr zum weiblichen Selbstverständnis im Alter zwischen zwölf und 55 dazu - Frauen wollen mit ihm statt gegen ihn leben. Und da kann es nur helfen, die zyklusabhängigen Bedürfnisse der eigenen Haut zu erkennen, um sich wohl in derselben zu fühlen.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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