Mode:Hammer-Teile von Lagerfeld

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Die berühmteste Katze der Welt: Joana Vasconcelos' Skulptur "Choupette" wird ebenfalls aus dem Nachlass von Lagerfeld versteigert. Geschätzter Wert 5000 - 7000 Euro. (Foto: JOANA VASCONCELOS, VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Sothebys/ArtDigital Studio)

200 Paar fingerlose Handschuhe, Fressnäpfe von Choupette - Sotheby's versteigert den Nachlass des berühmtem Designers. Ob ihm das gefallen hätte? Und wie!

Von Silke Wichert

Zur Einstimmung schaut man sich am besten noch einmal diesen Werbespot mit Karl Lagerfeld an, anlässlich seiner, ach was, der ersten Designerkooperation mit H&M. Ein Gerücht geht um in diesem schlicht genialen Schwarz-Weiß-Filmchen von 2004. Offensichtlich etwas höchst Skandalöses, das die bessere Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzt. "Karl! Ist es wahr?", fragt schließlich einer, der die Ungewissheit nicht länger aushält. "Natürlich ist es wahr", entgegnet Lagerfeld auf diese legendär lapidar-süffisante Art. Gemeint war der Ausverkauf seines modischen Erbes für den Massenmarkt. Nur das seiner eigenen Marke versteht sich, nicht seine Arbeiten für Chanel oder Fendi. Spätestens damals wurde Lagerfeld zum globalen Popstar inklusive T-Shirt mit dem eigenen Konterfei.

Ab Anfang Dezember, wurde letzte Woche verkündet, folgt nun in gewisser Weise der zweite große Ausverkauf, diesmal seines materiellen Erbes. Rund zweieinhalb Jahre nach dem Tod des Designers versteigert Sotheby's Hab und Gut aus seinen acht (sic!) Wohnsitzen in Frankreich und Monaco. Anfang Dezember in Paris, dann in Monaco, nächstes Jahr in Köln. Bald wird also vielleicht irgendein glücklicher Bieter da draußen vom lagerfeldschen Tafelsilber speisen (geschätzter Wert zwischen 15000 und 20000 Euro), seinen Bettüberwurf benutzen, einen von drei Rolls Royce fahren. Womöglich wird sogar jemand seine fingerlosen Lederhandschuhe überstreifen (im Zehnerpack zu 2000 bis 4000 Euro). Ganze 200 Paar stehen zur Auswahl, was eine ungefähre Vorstellung davon gibt, wie viele dieser Sub-Markenzeichen Lagerfeld besessen und in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens verschlissen haben muss.

"Was nach mir ist, interessiert mich nicht"

Fragen zu seinem Nachlass bügelte Lagerfeld gern mit einem "Nach mir die Sintflut" weg. Er beschäftige sich nur mit dem Heute und dem Morgen, sagte er stets. "Was nach mir ist, interessiert mich nicht", sagte er einmal in einem Interview mit der Welt. Aber man darf davon ausgehen, dass die riesige Aufmerksamkeit für seinen so hervorragenden wie eklektischen Geschmack ihm durchaus gefallen hätte. Denn schon zu Lebzeiten zeigte er seine diversen Interieurs gerne her und konnte nicht einmal dem zweifelhaften Genre der "Homestory" widerstehen. Vor allem die Vogue durfte in hübscher Regelmäßigkeit bei ihm vorbeischauen, was rückblickend ein großer Segen ist, weil man so auf diesen Fotos einige der Stücke aus dem über 1000 Stück starken Auktionskatalog noch einmal "in action" sehen kann, in ihrem vom Dekorateur vorgesehenen Umfeld. 1974 fotografierte der große Horst P. Horst in Lagerfelds Pariser Apartment, als "der junge Designer" gerade bei Chanel angefangen hatte. Damals waren seine Möbel, Bilder und Objekte fast vollständig im Art-Déco-Stil gehalten, den er als "die Wurzel der Modernität" bezeichnete. Die Wände hatte er dafür extra in crême de cantal streichen lassen, einem Cremeweiß, benannt nach einem Käse aus der Auvergne, die Böden in Schwarz und Dunkelbraun gehalten. Das lasse diese Stücke wie "Diamanten in einer Cartier Schatulle" erstrahlen befand Lagerfeld. Man sieht auf den Bildern mehrere Sessel von Louis Süe & André Mare, die zu seinen Lieblingskünstlern gehörten. Auch deshalb zählen ihre Werke nun zu den Highlights der Auktion.

Lagerfeld war ein besessener Sammler, der allein geschätzte 300000 Bücher besaß, und von jedem einzelnen wisse er noch immer, wo er es herhabe, sagte er in der Arte-Dokumentation "Lagerfeld Confidential". Aber er kaufte in Phasen: In den Achtzigerjahren ließ er sein Apartment in Monte Carlo von Andrée Putman vollständig mit verspielten Memphis-Möbeln einrichten. Aus dieser Zeit ist deshalb nichts im Auktionskatalog zu finden, weil er beim Verkauf des Apartments bekanntlich auch die Einrichtung aufgab und sie bereits 1991, ebenfalls bei Sotheby's, versteigern ließ.

Lagerfeld sammelte wie besessen, trennte sich aber auch regelmäßig von Dingen

Danach widmete er sich vor allem dem Kunstgewerbe des 18. Jahrhunderts, für Lagerfeld der Inbegriff von Raffinesse und Eleganz. Auf Fotos von 1989 aus seiner Pariser Rive Gauche Wohnung ist ein so safrangelbes wie durchgeknalltes Bett zu sehen, mit theatralischem Baldachin aus handgewebtem Brokat, Straußenfedern und Porzellaneinsätzen. Auch auf seinem Landsitz Manoir Le Mée, den er später an Caroline von Monaco verkaufte, und seinem Schloss in der Bretagne sah alles, nun ja, zutiefst kaiserlich aus. Diese Einrichtungen sind ebenfalls schon zu Lebzeiten unter den Hammer gekommen. Er sammle gern, aber er sei nicht verrückt danach, Sachen zu besitzen, erklärte Lagerfeld einmal. Also trennte er sich gelegentlich von den Dingen und widmete sich der nächsten Obsession.

Zuletzt vor allem dem Ultra-Modernen: Viel Chrom, Glas, eine muschelförmige Sitzlandschaft aus weißem Leder, graue Betonböden - die Vogue nannte das so ausgestattete Pariser Apartment 2008 "Raumschiff Lagerfeld", und hieraus wird tatsächlich eine ganze Reihe für die Nachwelt zu haben sein: Etwa Marc Newsons Zenith Chair (geschätzter Wert 40000 - 60000 Euro) und die Metall-Kommode von Martin Szekely, die bei Lagerfeld im Wohnzimmer standen, ein riesiger Aluminium-Szekely-Tisch (20000 - 30000 Euro) aus der Bibliothek.

Mindestens so interessant sind natürlich die Dinge, von denen man eben nicht wusste, dass er sie besaß. Auktionen von Prominenten-Nachlässen haben in dieser Hinsicht ja etwas vom heimlichen Stöbern auf dem Dachboden, nur dass jetzt jeder online und nicht mehr ganz so heimlich mitwühlen darf. Da wären also Maison-Margiela-Champagnerkübel in Form von Farbeimern, Hanteln von Aston Martin aus Chrom, die schon ab 200 Euro zu haben sind. Fast banal, aber wahrscheinlich umso gefragter dürften seine Dior-Anzüge sein, jede Menge Gepäck von Goyard, eine einzige schwarze Chanel-Tasche.

Und natürlich: zwei Kratzbäume sowie diverse Fressnäpfe von Choupette. Die genaue Anzahl ist noch nicht katalogisiert, aber bei einer der verwöhntesten Katzen der Welt darf davon ausgegangen werden, dass sie morgens, mittags und abends ihren vom eigenen Leibkoch zubereiteten Räucherlachs und Kaviar nicht vom selben Tellerchen schleckte. Wahrscheinlich reicht der Ausverkauf also aus, um ein halbes Dutzend Katzen da draußen glücklich zu machen. Oder vielmehr deren ambitionierte Besitzer.

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