Kolumne "In aller Munde":Cappuccino mit Schuss

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Cappuccino schmeckte bislang auch ohne Olivenöl ganz gut. (Foto: imago images/TT)

Die Italiener diskutieren, ob ein Löffel Olivenöl den Kaffee besser und gesünder macht. "Oleato" klingt natürlich gut. Aber ist er das auch?

Von Marten Rolff

Das Tamtam, das man bei der amerikanischen Kette Starbucks um Kaffee zu veranstalten versteht, war schon immer bemerkenswert. Was Segen und Fluch zugleich ist, denn eine für Starbucks problematische Wahrheit ist auch, dass manche dieses Tamtam für bemerkenswerter halten als den Kaffee, der in den Filialen ausgeschenkt wird. Die jüngste Aufregung betrifft das Italiengeschäft, dessen Zahlen noch nie erste Sahne waren, was auch daran liegt, dass ausländische Kaffeeketten bei Italienern traditionell ähnlich populär sind wie die Idee, auf eine Pasta zu McDonald's zu gehen.

Um die Italiener zum Barista zu locken, setzt Starbucks seit einigen Tagen darauf, einen nationalen Zaubertrank - eben Kaffee - mit einem anderen gewinnbringend zu mischen: Olivenöl. Zunächst werden drei Getränke als "Oleato" angeboten, also mit einem Löffel Öl-"Infusion": Latte macchiato mit Hafermilch, geeister Espresso-Shake und Cold Brew. Andere Länder sollen folgen. Starbucks-CEO Howard Schultz erzählte dazu auf CNN die Geschichte, sein Geschäftspartner, der sizilianische Olivenölproduzent Tommaso Asaro, habe ihn dazu inspiriert, auch weil dieser täglich einen Esslöffel von seinem gesunden Öl pur konsumiere. Bei einem Sizilienbesuch kam Schultz auf die Idee, das Öl in seinen Morgenkaffee zu rühren, der dadurch "samtig und buttrig" werde.

Entsprechend ölig sind dann auch viele Beiträge, die man im Netz seither verstärkt über die vielen angeblichen Wunderwirkungen nativen Olivenöls liest, Verweise auf Paleo- und Keto-Diäten inklusive. Es verlangsame zum Beispiel die Koffeinabsorption im Körper, so habe man länger etwas von der "energetischen Wirkung" des Kaffees. Und es sei Dank seines hohen Gehalts an Antioxidantien eine Art Allzweckwaffe gegen Entzündungen, Herzkrankheiten oder Krebs.

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Tatsächlich ist die potenziell gesundheitsfördernde Wirkung von Antioxidantien wie Polyphenolen seit Jahren unbestritten, etwa bei der Zellregeneration. Die genaue Wirksamkeit polyphenolhaltiger Öle ist jedoch unklar, anerkannte Analyse-Methoden dazu fehlen, weshalb eine entsprechende EU-Verordnung diesbezüglich auch einzig die vage Botschaft erlaubt: "Olivenöl-Polyphenole tragen dazu bei, die Blutfette vor oxidativem Stress zu schützen." Nun ja. Damit dürfen nur Produzenten werben, die einen bestimmten Polyphenolgehalt auf dem Etikett ausweisen. Allerdings geht es da um Öle, die selbst im Spitzenhandel kaum zu finden sind, von Supermärkten zu schweigen.

Wer Olivenölexperten zum täglichen Öl-Shot im Kaffee befragt, erntet Stirnrunzeln. Und Gegenfragen: Wenn Polyphenole, die bei Hitze leiden oder sogar kaputtgehen, so wichtig sind, wieso tut man das Öl dann in den heißen Kaffee? Und warum schwärmt Starbucks-Chef Schultz so viel von Sizilien, wo sizilianische Olivensorten doch für einen vergleichsweise niedrigen Gehalt an Antioxidantien bekannt sind? Warum wird beim Öl-Shot jetzt wieder ständig von "extra vergine" geraunt, wo doch seit Langem klar ist, dass dieses Prädikat schon angesichts des allgemeinen Öl-Gepansches nichts wert ist? Die Liste ließe sich fortsetzen.

Bleibt also der Geschmack. Eine Reihe häuslicher Tests mit exzellenten Produkten legt nahe, dass Olivenöl den Kaffee nicht wirklich besser macht, zumal man die feine Säure von gutem Arabica nicht unbedingt neutralisieren will, es sei denn, man steht auf grasige Noten. Einzig aufgeschäumte Hafermilch wird mit einem Esslöffel Olivenöl tröstlich voll und auf eine angenehme Art süßlich. Tatsächlich nicht schlecht! Dass der Geschmacksträger Fett vieles rund macht, wusste man allerdings vorher. Kippen die Wiener Kaffeehäuser deshalb jetzt steirisches Kürbiskernöl in die Melange? Eben. Eine andere Wahrheit ist: Jeder an sich schon üppige Latte macchiato hat nun noch einmal 120 Kalorien mehr. Den Muffin zum Kaffee darf man bei Starbucks dann künftig wohl weglassen. Das immerhin wäre dann wirklich gesund.

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