Superfood

In zwei Wochen erscheint das neue Kochbuch von Jamie Oliver; wer jetzt findet, das sei doch keine Nachricht, der hält womöglich auch Starbucks für eine kalifornische Filmagentur. Olivers Kochbücher erreichen sieben-, gern aber achtstellige Auflagenzahlen und sind damit ein sicherer Gradmesser für die gesamte Ernährungsbranche. Die Frage ist ja für alle stets dieselbe: Welcher Zug ist schon am Zuckeln, aber noch nicht so abgefahren, dass man nicht aufspringen könnte, ohne rot zu werden? Ganz klar, Superfood. Gesundheit, so ausgelutscht das klingt, ist das große, neue Ding bei Tisch. Und wenn sich eine Lokomotive wie Oliver davor setzt, darf man davon ausgehen, dass der Zug jetzt erst richtig Dampf macht. Vom Cover strahlt der Darling der westlichen Weltküche so pumperlg'sund, dass es ansteckend wirkt. Das Gesicht weniger pastös als früher, mit einem Stretch ins Paltrowhafte, die Augen glänzen wie eingelegte Gojibeeren. Von den sündteuren Beeren hat man womöglich schon gelesen, dass sie das Anti-Aging-Geheimnis der Stars sind und im Müsli ähnlich super wie Quinoa, das Wunderkorn der Inka. Damit ist es aber ebenso wenig getan wie mit dem täglichen Green Smoothie. Künftig müssen bewusste Esser auch die Unterschiede zwischen kurz- und langkettigen Kohlenhydraten kennen. Oder den Erntezeitpunkt, der den Erhalt wertvoller Antioxidantien wie der Polyphenole im Gemüse garantiert. Manche Köche garen den Lachs längst im umgerüsteten Solarium, weil UV-Licht die Omega-3-Fettsäuren aktiviert. Hat alles sicher seinen Reiz. Nur eine Bitte: Die Kirche immer schön im Dorf lassen. Wo die Speisekammer zur Apotheke wird, ist Schluss mit Genuss. An einem schlichten Abendessen kann man erstaunlich schnell irre werden.