Geschmackssache:Matcha

Was ist die schnellste Brücke von der westlichen Popkultur zu Japans Zenmeistern? Ganz klar: Matcha. Damit werden nun auch Schokoriegel aromatisiert.

Von Marten Rolff

Japan liegt schon länger derart im Trend, dass kaum ein europäischer Koch noch glaubt, auf fernöstliche Zitate verzichten zu können. Und wenn es ein Putenschnitzel ist, das mit Miso gesalbt wurde. Ihre Anziehungskraft verdankt die japanische Küche auch ihrer spirituellen Seite. Und so ist das Lebensmittelmarketing bei seinen virtuosen Volten, absolut jedes Produkt mit den Ritualen von Teezeremonie, Tempelküche und Kaiseki-Menü in Verbindung zu bringen, inzwischen beim Schokoriegel anlangt. Als nützlichste Brücke zwischen den Kalorienbomben der hibbeligen westlichen Popkultur und Nippons Zenmeistern erweist sich Matcha. Man weiß ja, wie aufwendig die Gewinnung des gemahlenen Grüntees ist, der schon vor 800 Jahren in den Klostergärten von Kyoto angebaut wurde. Die zarten Blätter müssen vor der Ernte vier Wochen lang beschattet und dann gedämpft, getrocknet und fein gerieben werden. So erhalten sie ihren lieblichen bis leicht herben Geschmack und sind reich an Antioxidantien. Mit diesem Mythos lässt sich umstandslos alles aromatisieren und in schickes Grün tauchen, ob Eiscreme oder Shortbread. Lindt nutzt Matcha nun für Pralinenkugeln und auch Nestlé überzieht sein Süßwarenregal gerade mit grünlich schimmernder weißer Schokolade. Dass die in Teige und Kuvertüren versenkten Grünteepulver wenig mit den Produkten zu tun haben, mit denen etwa japanisches Reisgebäck verfeinert wird? Geschenkt. Auch könnte es sein, dass mancher Schokoriegel neuerdings etwas bitter schmeckt oder fischig im Abgang. Matcha ist ein Geschmack, den man erst lernen muss. Aber keine Sorge, die Japaner haben das auch geschafft. Hat nur 800 Jahre gedauert.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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