Geschmackssache:Mairüben

Lesezeit: 1 min

Glamourös? Nö, aber schmackhaft. (Foto: imago/Westend61)

Man gesteht ihr nicht mal einen eigenen Geschmack zu. Irgendwas zwischen Kohlrabi und Radieschen, heißt es gern. Dabei kann die Mairübe mehr.

Von Marten Rolff

Gibt es glamouröses Gemüse? Sicher nicht. Doch stellt sich die Frage, warum sich dann selbst an den bravsten Bauernständen der Wochenmärkte regelmäßig ein ganzes Kastensystem offenbart. Warum Menschen, die Spargelspitzen oder Zuckerschoten, Prinzessböhnchen oder Costoluto-Tomaten bestellen, zwingend säuseln müssen und dabei so verzückt die Lippen schürzen, als ginge es um das Royal Baby. Völlig undenkbar, dass so viel Bewunderung einmal der Mairübe zuteil würde, die sich gerade überall so adrett und geduldig in der Auslage stapelt. Unwahrscheinlich auch, dass dieser Knolle einmal ein Jingle aus einem Edeka-Lautsprecher huldigte. Nein, die Mairübe bleibt das Mauerblümchen der ehemals nicht gerade schillernden Rübenfamilie, aus der viele Mitglieder zuletzt gewaltige Karrieresprünge hinlegten. So wurde die Teltower Rübe bereits kurz nach der Deutschen Einheit als zarteste Wiederentdeckung des Ostens gefeiert, heute kommt sie auf Speisekarten nicht ohne Diminutiv aus und räkelt sich gern karamellisiert auf den Tellern der Sterneköche. Wer bitte spricht noch davon, dass sie mal als Viehfutter in Pommern angefangen hat? Ihrer vermeintlich unscheinbaren Schwester gesteht man dagegen noch nicht mal einen eigenen Geschmack zu: Irgendwas zwischen Radieschen und Kohlrabi, heißt es in Küchenkompendien gern über die Mairübe. Oder: fast wie Rettich, nur rund. Dabei kombiniert die Mairübe Frische mit Süße und milder Schärfe wie keine andere Knolle. Ihre Stängel lassen sich zu Rübstiel verarbeiten, ihre Blätter wie Spinat kochen. Geschält passt sie in den Salat oder in die Suppe. Gesund ist sie sowieso. Es ist also Zeit für ein bisschen Anerkennung. Die Saison geht bis Juni. Für ihre Gesellschaft am Biergartentisch wird es ja wohl reichen.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: