Geschmackssache: Kastanienmehl

(Foto: privat)

In Ligurien oder der Ardèche ist die Maroni-Ernte noch in vollem Gang. Das Mehl aus Esskastanien galt lange als Arme-Leute-Essen. In Italien bäckt man daraus bis heute den wunderbar aromatischen Kuchen Castagnaccio.

Im Herbst macht der Geruch von Maroni die neblige Kälte erträglich, und wer Edelkastanien einmal zu Hause geröstet hat, mag den lauwarmen Päckchen der Standverkäufer nicht mehr viel abgewinnen. Ganz abgesehen vom Duft, der aus dem Ofen durch die Wohnung zieht. Das Mehl aus Kastanien steht derweil vernachlässigt auf dem Küchenschrank, vielleicht zusammen mit verdorrten Olivenzweiglein - eines dieser melancholischen Sommer-Überbleibsel: Man hat die farina di castagne auf einem Bauernmarkt in Italien oder Korsika gekauft, jetzt versteckt sich die braune Tüte hinter der Großpackung Cornflakes. Weil der süßliche Geschmack des Mehls rasch verschwindet, sollte es vor Jahresende verarbeitet werden. Ganze Regionen lebten früher von Esskastanien; gekocht oder als Hauptbestandteil harter Brote waren sie Arme-Leute-Kost in der Ardèche, der Toskana, vor allem in Ligurien, wo es gerade Rekordernten gab. Bioläden hierzulande bieten das bräunliche Mehl wahrscheinlich auch deshalb an, weil es so gesund aussieht, nach Vollkorn und Detox - natürlich "glutenfrei", das Zauberwort fehlt nicht. In der Toskana schwören die Leute im Oktober auf den aromatischen Kuchen Castagnaccio. Die Kochbuch-Autorin Alice Vollenweider notierte sich auf einer Reise ein Rezept, für das man 300 g Kastanienmehl, 3 EL Zucker, gehackten Rosmarin und etwas Salz mit 800 ml Flüssigkeit (halb Milch, halb Wasser) mischt und über Nacht stehen lässt. Geriebene Schale einer Orange beigeben, den flüssigen Teig in ein großes gefettetes Kuchenblech gießen. Mit Pinienkernen, Walnüssen, in Cognac eingeweichten Rosinen (je 100 g) bestreuen, bei 200 Grad gut 50 min backen. In alter Zeit waren die Zutaten karger. Dafür schmeckt der Kuchen heute besser.