Geschmackssache:Feige

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Die Feige ist eine Aroma-Zicke. Bei keiner anderen Frucht hängt der Geschmack so sehr vom Erntezeitpunkt ab. Doch Geduld lohnt sich.

Von Marten Rolff

Sieht man von Dosen-Ananas auf Toast Hawaii ab, dann war die Feige die erste wichtige Exotenfrucht-Erfahrung der Deutschen. Schon den Vorläufern der Toskana-Fraktion galt die matschige Fruchtigkeit der Feige mit ihren zarten bis zuckerigen Beerennoten als kulinarische Inkarnation alles Mediterranen. Und als erste Delikatessläden hierzulande begriffen hatten, wie gut sich an der Italienseligkeit verdienen lässt, schaffte es die Feige gleich palettenweise in die Küchen zwischen Flensburg und Konstanz, wo ihre blassrosa Hälften wahlweise gerollten Schwarzwälder oder Holsteiner Katenschinken dekorativ ergänzen sollten. Was ja nicht verkehrt ist, denn frische Feige zu Schinken jeder Sorte geht immer. Wenn die Enttäuschung trotzdem oft groß war, dann deshalb, weil die Feige eine echte Aroma-Zicke ist. Keine andere Frucht macht ihren Geschmack so sehr vom exakten Erntezeitpunkt abhängig (erkennbar daran, dass erster Nektar am Fruchtansatz austritt). Isst man sie zu früh, schmeckt sie so aufregend wie ein Küchenschwamm, bei Überreife hingegen wird sie sofort beulig und erinnert am Gaumen an eine kompostierte Brombeerhecke. Wer also nicht zufällig über eine Orangerie mit mehreren Feigenbäumen verfügt, wird selbst bei guter Ware geschmacklich hin und wieder etwas nachhelfen müssen. Das geht mit Sirup aus Honig, Orangen- und Zitronensaft, aber auch mit Rotwein und Fruchtgelee. Nigel Slater ("Tender Obst") zum Beispiel lässt 12 Feigen in einem Stahltopf mit 250 ml Rot-oder Portwein, 125 ml Wasser, einer Vanilleschote und je 2 EL flüssigem Honig und rotem Johannisbeergelee für 30 Minuten sanft einköcheln. Anschließend Feigen rausnehmen, den Sirup vorsichtig um die Hälfte reduzieren und abkühlen lassen. Mit Vanilleeis oder Quark wird daraus ein Spätsommerknaller.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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