Gegrillte Nachspeisen:Süße Feuertaufe

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Ananas vom Grill ist nicht nur ein Hingucker, sondern auch köstlich. (Foto: mauritius images)

Endlich kommen auch die Desserts auf den Grill: Warum Gas, Holzkohle oder Rauch für die Zubereitung von Früchten, Kuchen und sogar Eiscreme eine hocharomatische Idee sind.

Von Anne Goebel

Kurzer Selbsttest mit Grill-Buch, einem der zahllosen Bände, die jede Saison zum Thema Barbecue neu auf den Markt kommen. Das Exemplar ist schmal, liegt angenehm kompakt in der Hand, pistaziengrüner Einband. Motiv auf dem Vorsatzpapier: zarte Blüten. Müsste das nicht ein schwerer Wälzer sein, rauchig in den Farben, mit etwas Brutzelndem auf dem Cover? Stattdessen zeigt eines der ersten Fotos: ein Beeren-Nachtisch mit zaghaft angebräunten Mandeln. Sollte es nicht irgendwie mehr lodern auf den Seiten?

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Keine Flammen, kein Fett, das in die Glut rinnt - dass man darüber tatsächlich erstaunt ist, zeigt, wie tief die Klischees beim Grillen sitzen. Auch wenn Nackensteaks out sind und Frauen endlich nicht mehr bloß den Nudelsalat, sondern auch das Feuer machen wollen, haftet der Outdoorküche immer noch etwas Martialisches an. Trotzdem liegt Rukmini Iyer mit ihrem pastelligen Buch "Green BBQ" (Dorling Kindersley) genau richtig. Die britische Bestsellerautorin hat viel Gespür für den kulinarischen Zeitgeist, und was das Kochen im Freien angeht, stehen die Zeichen auf Zucker. Desserts zu grillen wird jetzt richtig ernst genommen. Richtig so, denn warum sollten sich zum Beispiel süße Früchte schlechter auf dem Rost machen als Gemüsespieße? Und außerdem: Wenn der Grill schon einmal angeworfen ist, warum nicht auch das Dessert darauf zubereiten? Es muss ja für den Einstieg nicht gleich irgendetwas mit - zweifelsohne köstlicher - geräucherter Vanille sein.

Faustregel: Desserts auf dem Grill nie alleine lassen!

Eis, Pfirsichhälften oder warmer Cheesecake vom Grill: Für jemanden wie Bart Mus gehört das seit Langem zum Berufsalltag. Der gebürtige Belgier ist Grillmeister an der "Weber Grillakademie", wo die Teilnehmer in Grund- oder Fortgeschrittenenkursen Grundlegendes übers Garen, Rösten oder Sautieren am Grill lernen. Mus hat viele Jahre als Koch gearbeitet, und in der ersten Zeit als Grillmeister "hat mich vor allem interessiert: Die Rezepte, die ich aus der Gastronomie kannte, auf dem Grill zu machen, geht das überhaupt?" An Desserts habe er sich erst nach einer Weile gewagt, mit dem Ergebnis: Doch, es geht. Sogar Käsekuchen, den ihm seine deutschen Kollegen lächelnd auszureden versuchten, habe er nach einigen Fehlversuchen hinbekommen.

Auch Käse- oder andere Kuchen lassen sich gut auf dem Grill backen. (Foto: Christin Klose/picture alliance / dpa-tmn)

Die wichtigste Regel: Kuchen, Baisertörtchen oder glasiertes Obst müssen weg von der Hitze. Nachspeisen mit ihrer zarten, oft schmelzenden Textur sind kein robustes Steak, das höchste Temperaturen aushält. Beim Gespräch mit Bart Mus merkt man gleich, dass er in der Regel als Lehrer vor wissbegierigen Schülergruppen spricht. "Wo backen Sie zu Hause im Ofen einen Kuchen?", fragt er. "Genau, mittlere Schiene." Daher darf im Kugelgrill ein Blech oder eine Auflaufform mit Süßem nie direkt auf dem brennend heißen Rost stehen, weil dort Temperaturen bis zu 250 Grad erreicht werden, auch wenn das Deckelthermometer 180 Grad anzeigt. Durch eine umgedrehte Aluschale - oder natürlich den professionellen Hitzeschild - als Untersatz bekommen Desserts die richtige, indirekte Hitze. "Wer das verstanden hat, kann jedes süße Rezept auf dem Grill ausprobieren."

So weit geht die Experimentierfreude bei den meisten Neulingen nicht, auch wenn das Interesse an gegrillten Desserts immer weiter zunehme, sagt Mus - vor allem bei männlichen Kursteilnehmern. Für den Einstieg empfiehlt er gern ein leichtes Obstcrumble, für das Pfirsichhälften, gemischte Beeren oder geschnittene Melonen- und Ananasstücke gleichmäßig in einer Auflaufform verteilt werden. Darüber eine Streuselmasse aus Butter, Zucker, Mehl oder Haselnüssen bröseln und "schön goldbraun backen, nicht mehr als dreißig Minuten". Einfach zu machen, gut vorzubereiten - und das Gemeinschaftserlebnis am Tisch sei etwas Besonderes. "Das Dessert in der Mitte, alle probieren davon, das ist ein schöner Abschluss für einen Grillabend."

Puristen schwören auf gegrilltes Obst

Eine weitere Regel: Niemals die Zeit vergessen. Deftiges wie Lammbratwürste oder marinierte Zucchini können zur Not ein paar kohlschwarze Stellen vertragen. Desserts sind auch da empfindlicher. Das gilt vor allem für Zartes wie die kleinen Eisbomben, für die Bart Mus jeweils eine am Vortag ausgestochene Eiskugel direkt aus dem Gefrierfach auf ein Mürbeteig-Tartelett legt, ganz mit Baisermasse bedeckt und alles im vorgeheizten Grill drei Minuten bräunt. "Den Deckel derweil am besten festhalten", sagt er - womit gemeint ist: Bloß nicht mal eben das Weinglas nachfüllen, sondern am Grill bleiben. Drei Minuten sind ziemlich kurz. Noch weniger Geduld braucht man für einen Gag, den Bart Mus ganz Skrupulösen als erste süße Feuerprobe empfiehlt: Milchschnitten einfrieren und bei offenem Deckel auf jeder Seite eine bis maximal anderthalb Minuten grillen. "Das ist eine Spielerei, und genau dazu möchte ich die Leute ja auch ermuntern: Desserts auf dem Grill einfach auszuprobieren."

Puristen schwören eher auf Obst als Nachspeise. Für die Rezepte in Rukmini Iyers Kapitel "Something Sweet" werden halbierte Aprikosen, Pfirsiche oder Maracujas, mit etwas Olivenöl bestrichen, einfach direkt auf den Rost eines simplen Holzkohlegrills gegeben (Glutstücke etwas beiseiteschieben). Schon das Garen über Kohle verleiht den Früchten ein besonderes Aroma, doch die Raffinesse der Desserts entsteht oft erst danach: Durch Dressings aus Rosenwasser, Orangensaft und Pistazien, einen Klacks Mascarponecreme mit Mandeln - oder durch den Rosmarinzucker, in den die Fruchthälften vorher getunkt werden und der sich über der heißen Kohle in Karamell verwandelt. Auch Iyer will ihren Lesern die Scheu nehmen, es mit Süßem am Grill zu probieren, und betont, dass nicht alles beim ersten Mal klappen muss. Zu den Pfirsichen mit Orangenblütenwasser, Rosmarin und Crème fraîche schreibt sie: "Es macht nichts, wenn etwas Zucker herunterfällt, die Pfirsiche karamellisieren trotzdem schön."

Pfirsiche, Nektarinen oder Aprikosen lassen sich sehr gut grillen, etwa in Rosmarinzucker gewälzt, der über der Glut karamellisiert, und dann mit Crème fraîche oder Eis serviert. (Foto: mauritius images / TPP)

Den Eigengeschmack von Naturprodukten akzentuieren, der sich durch die Hitze eines Holzfeuers auf simple Weise verstärkt: Das ist auch die Methode von Chris Bay und Monika di Muro, wobei den beiden das Wort "Philosophie" hier besser gefallen würde. Die Schweizer haben sich mit ihrer Firma Chillfood in Bern - und zwei Kochbüchern, erschienen im AT-Verlag - als Spezialisten für sogenannte Feuerküche einen Namen gemacht. Bei Events an ungewöhnlichen Orten wie einer alten Mühle oder einem Straßenkreisel mitten in der Stadt wird über Buchenholzglut gekocht, in Tontöpfen, auf erhitzten Steinen, mit Holzstöcken als Spießen. Ein archaisch anmutendes Verfahren, das das Duo bewusst als Rückbesinnung auf das Ungekünstelte versteht. "Immer mehr, immer schneller, immer komplexer und verrückter": So sehen sie die "Welt der Kulinarik und ihre extensive Vermarktung" - und setzen dem die Idee wohltuender Reduzierung entgegen.

Was damit gemeint ist, wird Besuchern im Firmensitz, einer alten Brauerei direkt an der Aare, schnell klar. Chris Bay demonstriert dann gern sein Lieblingsdessert, das aus genau drei Zutaten besteht: Biozitronen, die im Ganzen so lange in die Glutasche gelegt werden, bis sie braune Blasen werfen. Nach zehn Minuten ist das aufgeschnittene Innere teils noch säuerlich, teils erstaunlich musig und herbsüß, wird mit Rohrohrzucker bestreut und etwas Gin beträufelt. "Ein Dessert, das glücklich macht", sagt Bay, "weil es einfacher kaum geht und trotzdem voller Überraschungen steckt."

Gegrillte Pfirsiche mit Rosmarinkaramell

Rukmini Iyer empfiehlt für dieses Dessert nicht zu reife Pfirsiche, damit beim Geschmack noch etwas von ihrer feinen Fruchtsäure mitschwingt (aus Green BBQ. Vegan&Vegetarisch. 75 Grill-Rezepte für drinnen und draußen, Dorling Kindersley)

Zutaten (für 4 Personen): 3 gehäufte EL Rohrohrzucker, 2 Stängel frischer Rosmarin, die Nadeln fein gehackt, 4 Pfirsiche, 40 g geröstete Mandelblättchen, 2 TL Orangenblütenwasser (Apotheke!), Crème fraîche

Zubereitung: Zucker und Rosmarin mischen und beiseitestellen. Sobald der Grill heiß ist, halbierte und entkernte Pfirsiche mit der Schnittfläche in den Rosmarinzucker drücken. Mit der Schnittfläche nach oben 5 Minuten grillen, wenden und weitere 5 Minuten grillen. Dabei gut aufpassen, dass der Zucker nur karamellisiert und nicht verbrennt. Die Pfirsiche auf einer Platte anrichten. Mit Mandelplättchen bestreuen, mit Orangenblütenwasser beträufeln und heiß servieren. Die Crème fraîche separat dazu reichen. Alternativ passt natürlich auch Eiscreme dazu.

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