Ladies & Gentlemen:Mit Schaft und Schnalle

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(Foto: Miu Miu, Balenciaga)

Große Stiefel rausstellen? Das gilt nicht nur am Nikolaustag, sondern auch für die Schuhmode dieses Winters.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Klobig leicht

Alle paar Jahre ist Schuhparadigmenwechsel. Die Combat-Boots kann keiner mehr sehen, deswegen sind Biker-Boots jetzt das Gebot der Stunde auf dem Gebiet des schweren, klobigen Schuhwerks. Die Eckdaten: möglichst viele Schnallen, Schaft am besten auf Mittelwadenhöhe und eckige Spitze. Jetzt einen Kalauer mit Kick-Ass-Pointe zu bringen, wäre zu schlapp, vor allem weil der Trend-Vorreiter Miu Miu, dieses lustige Schwesterlabel von Prada, sich doch selbst eigentlich als Ankleider einer Frau mit intellektuellem Flair sieht. Das lassen wir mal unkommentiert so stehen, alle Style-Ideen dieser Marke sind definitiv hervorragend.

(Foto: Miu Miu)

Warum also jetzt Biker-Boots? Wahrscheinlich ganz einfach wegen der Liebe von Designern zu in der Versenkung verschwundenen Relikten. Der Clou liegt gar nicht so sehr im Schuh an sich, sondern in der Kombination: Natürlich stimmt man so einen Stiefel nicht auf die passende Bikerjacke oder gar Lederhosen ab, sondern ist nur untenrum hart, aber oben ganz zart. Aber bevor jetzt alle enthusiastisch wieder ihre alten langen Blumenkleider aus dem Schrank holen, um den Kauf neuer Boots zu rechtfertigen: Das wäre viel zu sehr 2010er-Jahre. Transparente Stoffe, federleichte Pencil Skirts, ein kleiner grauer Cardigan vielleicht oder ein Blazer und warum nicht ein paar Kristallverzierungen am Blusenkragen? Es ist ein verträumter Omi-Style, wonach diese It-Boots rufen, und warum das so ist, darüber kann man sogar philosophieren. Modisch am Ball zu bleiben, ist eben doch eine nicht zu unterschätzende Denkleistung.

Für ihn: Schwer verstörend

Wenn es darum geht, dem domestizierten Mannsbild ein bisschen Kernigkeit zu verleihen, gibt es in der Herrenmode ein paar klassische Zutaten. Viele davon haben mit Leder zu tun, vorrangig natürlich die Lederjacke, aber auch Lederhüte, Lederarmbänder und schwere Ledergürtel laden ihren Träger zuverlässig mit Spuren von rauchenden Colts auf. Im Fall dieser stattlichen Stiefel von Balenciaga hingegen geht es eher um rauchende Auspuffrohre, denn die Ästhetik der krassen Botten ist Motocross-Stiefeln nachempfunden. Nun hat das Motocrossfahren nicht ganz die gleiche Gravität wie altehrwürdiger Renn- oder Pferdesport. Man erinnere sich: Motocross ist ja eher das, was die milchbärtige Jugend in strukturschwachen Gebieten als Samstagsbeschäftigung betreibt, nicht ohne dabei einen heiseren Lärm zu veranstalten, der klingt wie bösartige Hummeln in der Dose. Cool? Na ja.

(Foto: Balenciaga)

Aber natürlich verleihen derart hochlederne Funktionsstiefel jedem Mann im urbanen Kontext eine gewisse Coolness, zumal wenn sie so retrofuturistisch gestaltet sind wie diese Exemplare. Derlei trägt man natürlich nicht einfach zur Jeans an einem Dienstagvormittag, nein, in der Vision von Balenciaga sieht der ideale Mann zu diesen 5000-Euro-Stiefeln aus wie ein dunkler Bösewicht aus einem Science-Fiction-Film, ist also mit glattem Neoprenanzug und Techno-Brille ausgestattet. Obenrum Warp-Antrieb, untenrum fieses Moto-Geknatter - eine verstörende Dystopie aus feinstem Kalbsleder, die Balenciaga hier entwirft. Aber verstörende Dystopien sind eben das, was die Welt gerade am besten versteht.

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